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Ein Bericht von Jan:
Stand die Reise von Anfang an unter einem schlechten Stern?
Zunächst wurde klar, dass mich Thomas auf der diesjährigen Radreise nach Marokko aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht begleiten würde können, was ich außerordentlich bedauerte. Nach 1999 konnte, durfte, sollte ich also wohl wieder einmal alleine nach Afrika aufbrechen... Der Streik im öffentlichen Dienst, die Irak-Krise und am Ende eine seltsame Konstellation des Hinfluges mit Condor und Hamburg International waren die letzten Versuche, mich von Afrika abzuhalten. Ganz am Ende aber steht fest: es war eine runde Sache!
Wenn die Marokkokarte vor mir liegt, so ist es inzwischen fast ein Kunststück geworden, eine einwöchige Runde von Agadir aus zu ziehen, ohne Wiederholungen und langweilige Passagen einzubinden.
Auf den in diesem Jahr geplanten gut 800 Kilometern wollte ich 5 bisher unbekannte Strecken ausprobieren:
1. Die Alternativroute zur Soussebene, direkt weg vom Flughafen Al Massira gen Osten | |
2. Den Aufstieg von Aoulouz nach Askaoun, | |
3. die Querung von Taliouine nach Akka Irhen/Tata | |
4. die Piste von Souk Khemis d´Issafen nach Tafraoute | |
5. die "neue" Verbindung durch den Anti-Atlas von Tafraoute nach Ait Baha über Tanalt |
Für 3 (Sahara-Overland, Chris Scott) und 5 (Edith Kohlbach, Marokko, Rau Verlag) lagen brauchbare Streckenbeschreibungen vor, für 2 ließ sich definitiv nichts in Erfahrung bringen und für 4 fand ich einige Koordinaten in den spanischen Weiten des Netzes (http://www.nestorgnunez.com/maroc_internet/tazalarhite.htm). Am Ende erfuhr die Runde nur eine geringe Abwandlung zur ursprünglichen Planung - doch dazu später mehr...
27.1.03
Nach einem fürchterlichen Flug (ich bin einfach zu groß für eine Boeing 757) mit Umsteigen in München traf ich gegen 11.15 in Marokko ein. Im Gepäck ungeplantermaßen ein dicker Fleecepulli als "Extra", den ich mir für die Autofahrt zum Flughafen übergeworfen und vergessen hatte, wieder auszuziehen. Nun ja, die halbe Hinterradtasche war problemlos damit gefüllt. Ging ja gut los.
Immerhin war ich 45 Minuten nach der Landung on the road. Umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen am Flughafen fielen auf. Die neue Route nach Taroudant als Alternative zur extrem nervigen, weil vielbefahrenen Soussebene, entpuppte sich als sinnvoll und abwechslungsreich. Leider ist ein kleines Teilstück noch nicht fertig gestellt, aber das ist nur eine Frage der Zeit, es wurde bereits heftig daran gearbeitet. Viele Kilometer begleitete mich ein junger Marokkaner auf dem Weg in die Provinzhauptstadt. Später bog ich auf die Nebenstrecke nach Aoulouz ab.
Herrlich wieder die Gerüche, Geräusche und Farben Afrikas in den Sinnen zu haben, offenbar hatte es recht ergiebige Regenfälle im Winter gegeben, alles war sehr grün, ein netter Kontrast zu den stets präsenten Brauntönen. Nach gut 5 Stunden im Sattel fand ich kurz vor Sonnenuntergang einen halbwegs brauchbaren Platz zum Übernachten. Leider hatte ich beim Hineinschieben des Rades in die Pampa das Glück, mir einen Doppelplattfuß einzuhandeln, den ich dann im Dunkeln nach Zeltaufbau und Kochen mit der Stirnlampe flicken durfte...
28.1.03
Beim Aufstehen noch ein Plattfuß - grrrmpffh! Zudem häßlicher Gegenwind auf den letzten 40 km der Soussebene, immer leicht bergan. Später biege ich nach Norden ab, erreiche ausgelaugt Aoulouz. 3 km nördlich des betriebsamen Städtchens geht eine Asphaltstraße zur Barrage de Aouluz ab, auf die ich einbiege. Durch eine wunderschöne Landschaft mit Zedernwäldchen und dem Staudamm im Hintergrund schlängelt sich die Straße noch 17 km weiter bis Aoufour, wo gerade Markttreiben herrscht. Vorsichtig schiebe ich die schwere Last durch Schafe, Hühner und eine quirlige Menschenmasse. Kaum in einem Café Platz genommen, stehen trommelnd und geigend zwei Typen vor mir und machen ein bißchen Musik - gegen einen kleine Gebühr, versteht sich. Das hätte ich hier nicht erwartet, kennt man diese Nummer doch eher aus Touristengebieten, aber sie scheinen authentisch zu sein, machen dieselbe Show auch in den anderen Cafés, für die Berber.
Unvermittelt beginnt hinter dem Ort eine gute Piste, die langsam aber stetig ansteigt. Wenige Kilometer später stehe ich vor einer riesigen Staumauer. Ein großes Staudammprojekt wurde hier verwirklicht, der Lac de Tifnoute entstand. Das türkisblaue Wasser kontrastiert großartig zur trockenen Umgebung. Die Piste ist relativ leicht zu befahren, ich werde über eine Stunde von einem Marokkaner auf seinem gelben Flitzer begleitet. Wir jagen über Hügel und preschen die Abfahrten hinab. Großartig. Zum Glück muß er ständig nachpumpen, sonst wäre er mir wohl mangels Gepäck entwischt... Auf über 1500 Meter Höhe werde ich nach erneuter längerer Suche - jeder nutzbare Quadratzentimeter ist hier kultiviert - in einer Felsnische fündig: ein halbwegs ebener Platz zum Übernachten. Da höre ich es doch plätschern! Hinter mir ergiesst sich eine kleine Quelle, welch Wohltat. Ich bin total salzig, die Anstrengungen des Tages fallen beim Waschen von mir ab. Im letzten Abendlicht sehe ich von Westen Wolken ins Tal ziehen - bitte nicht, Regen auf dieser Höhe im Winter, oder gar Schnee, wären eine Katastrophe.
Verwegener Transport am Stausee |
Blick aus dem Zelt auf die Piste |
29.1.03
Bis Askaoun blieben nur noch 12 km, die waren jedoch nicht ohne, im steten Auf- und Ab im milden Morgenlicht ging es durch wunderbare Hochgebirgslandschaft. Die fast unheimliche Stille zusammen mit den schneebedeckten Gipfeln im Hintergrund, dem zarten Grün der Äcker, dafür lohnen sich solche Strapazen allemal. Askaoun liegt an einer interessanten Kreuzung von zwei Pisten, zum einen Ost-West (Aoulouz - Anezal) und Nord-Süd (Taliouine - Toubkal-Region). Wer hier aufschlägt hat einigen Staub gefressen. Der Ort hat einen großen zentralen Marktplatz, der wegen der Kälte des frühen Tages geisterhaft leer war.
Ein kleines Geburtstags-Frühstück in der wärmenden Sonne und schon freute ich mich auf die Abfahrt nach Taliouine, aber leider war ich 20 km später auf der recht guten Piste noch immer keinen Höhenmeter tiefer als 2000 m. Teilweise fast eben zog sich die Strecke an der Flanke der Berge entlang, immer wieder herrliche Ausblicke gewährend. Plötzlich kam ich an eine steile Abbruchkante, die den Blick weit in den Anti-Atlas hinein und in unter mir liegende Flußtal freigab. nach wenigen Kilometern ging die Strecke in Asphalt über und in einer steilen Schußfahrt mit abschließendem Anstieg erreichte ich Taliouine.
Nach einer weiteren Pause und einem reichhaltigen Mittagessen hier flog ich mit Westwind aus der Stadt und musste mich zunächst 500 HM über einen kleinen Paß aus der Stadt regelrecht herauskämpfen. Dafür hatte ich zuvor erfahren, dass Teile der anstehenden Route über Agadir-Melloul nach Tata geteert sein sollen, erst in diesem Jahr fertiggestellt! Entsprechend bog ich 15 km später auf eine nagelneue Straße ein, bei der ich erneut fragen musste, für wen sie wohl erbaut worden ist. In Marokko gibt es mittlerweile massenhaft solche bequemen Verbindungen, die bisher auf keiner Karte verzeichnet sind. In der Regel trifft man maximal alle 15 bis 30 Minuten auf ein Fahrzeug. Andere Touristen sind fast nie zu sehen, (noch) kennt keiner diese Geheimtipps...
Karge Rücken im flachen Abendlicht, fast wie eine Hochebene, immer höher hinauf, schon bei fast 1900 m angekommen, da gibt es auch nur noch wenige Gipfel des Gebirgszuges, die hierüber hinaus wachsen. 8 m breit das schwarze Band vor mir, welch ein Kontrast. In einem kleinen Weiler niste ich mich ein, dusche aus dem Ortliebsack und liege dann mit der Mütze im Schlafsack - es ist gräßlich kalt.
Morgenstimmung im Hohen Atlas |
In Askaoun |
Blick in die Ebene bei Taliouine |
30.1.03
Tatsächlich ist am Morgen innen am Zelt eine feste Eisschicht. Plötzlich setzt heftiger Ostwind ein und eine halbe Stunde später sind 4°C. Seltsam. Ich arbeite mich weiter auf dem Asphalt voran, erreiche im flachen Sonnenlicht Agadir Melloul. Immerhin scheint die Straße wegen dieses Ortes entstanden zu sein. Ca. 100 m lang ist dann auch die arkadengesäumte Hauptstraße (und einzige Straße) des Ortes, menschenleer, nur ein kleiner Laden hat bereits geöffnet, leider gibt es kein Brot. Kurz hinter dem Ort der völlig unspektakuläre Tizi-n-Ounzour, 1880 m hoch. auf herrlichen Serpentinen und mit Rückenwind schieße ich talwärts, kilometerlang ohne zu treten, ich merke kaum, dass abrupt eine Piste beginnt, frisch geschoben, mit über 40 Sachen rausche ich dahin. Wenige Minuten später ist der Traum beendet. Im Bereiche eines Oueds sind Bauarbeiten in Gange. Mühsam quäle ich mich über aufgewühlte Pistenstücke, das ganze passiert auf den folgenden Kilometern noch mehrfach. Das ganze Gelände ist von Planierraupen und anderem schweren Gerät zerwühlt. Mittendrin eine Dromedarherde, immer wieder kleine Bauarbeitercamps.
Immer schlechter wird der Zustand der Strecke, zwischen den beiden grösseren Oasenorten Tisfrioudine und Tinassemine ist dann wieder der alte Zustand erreicht. Eine immerhin leidlich zu befahrene Piste windet sich durch eine traumhaft schöne, mit grünem Flaum überzogene, Anti-Atlas-Szenerie.
Kurz darauf die Kreuzung der Piste 6837 mit der 6838. Ein grober Felsblock, kein Mensch weit und breit, Totenstille. Ein zweites Frühstück, dann bin ich eins mit der kargen Landschaft. Ca. 40 km fahre ich auf einer herrlichen Wüstenpiste durch immer neue Farben von Sand (lila, grün, gelb), Nomadenzelte, Flussbetten, Akaziengruppen. Zuvor hatte ich die Route auf den digitalen IGN-Landkarten markiert und auf das GPS übertragen, das Gefühl völliger Sicherheit kommt auf. Streng nach Osten zieht sich die Route nun, später dreht sie nach Süden, auf Akka Irhen zu. Dort ist es stellenweise sehr sandig, so dass ich zweimal bei geringer Geschwindigkeit stürze, da ich beim Versuch, mir einen eigenen Weg zu bahnen, nicht schnell genug aus den Klickies herauskomme.
Abrupt erreiche ich den Marktplatz des Ortes, aus einen Cassettenrecorder dröhnt RAI-Musik, ich geniesse einige Softdrinks (schon mal Hawaii probiert?). Es gibt auch Brot! Ich werde vom Cafebesitzer eingeladen, noch einen Tag hier zu verbringen, aber irgendwie zieht´s mich in die "Zivilisation", so möchte ich heute noch Tata erreichen. Ich höre, dass die Straße dorthin ebenfalls geteert wurde. Sauber, denke ich, aber leider folgt sie nicht dem angenommenen Verlauf der alten Piste, sondern verläuft streng südwärts, so dass ich wesentlich weiter östlich auf die Route Foum Zguid - Tata stosse, als geplant. Dadurch muß ich noch 70 km zu den bereits absolvierten 90 bewältigen, nach den drei anstrengenden Tagen vorher nicht ganz einfach.
Nun ja, auf dem Campingplatz in Tata angekommen, bereue ich die Entscheidung sofort: ein staubiges Loch, eingeklemmt zwischen riesigen Wohnmobilen französischer Rentner, dafür aber mit 20 DH preislich ok. Die Stadt selbst ist mir immer sympathisch, ein typischer kleiner Wüstenort. Auffällig heute ist der extrem dunstige Himmel, in Hamburg hätte ich Regen erwartet. Meine Frage hiernach löst Erheiterung aus. Zuletzt habe es im Oktober ein paar Tropfen gegeben, nein dieser Dunst rühre von heftigen Sandtürmen im Süden des Landes.
Am Abend nach dem Essen sitze ich noch lange in der heute milden Abendluft auf bereitstehenden Stühlen und Tischen und lese. Immerhin ist es angenehm ruhig hier...
Ab Abzweig P 6838 - 6837 |
Blick in das Oued |
Kurz vor Akka Irhen |
31.1.03
Heute morgen lasse ich es gaaaanz locker angehen. Am zentralen Platz in Tata stürme ich ein Patisserie und genehmige mir ein leckeres Frühstück... Erst gegen 10.00 Uhr rolle ich aus der Stadt. Locker angehen will ich es heute, ein reiner Rekompensations-Tag soll es werden. Die Strecke lädt dazu ein. Nach dem Abzweig, wo sich meine Route gen Igherm von der nach Akka trennt, windet sich die Straße leicht ansteigend durch menschenleeres, hügliges Ödland. Ich kann an solchen Tagen wunderbar abschalten. Stunde um Stunde kurbele ich locker weiter. Nur unterbrochen von einem kurzen Stop in Imitek, wo ich Vorräte auffülle und Wasser bunkere. Es gibt auch Apfelsinen, auch hier das Kilo 3DH.
Nach 79 km verlasse ich den festen Belag und biege nach Südwest ab, auf die Piste Richtung Tazegzaoute. Die Streckenbeschreibung bzw. die entsprechenden Koordinaten hatte ich Ende letzten Jahres nach einem Kontakt mit einem Spanier aus dem Internet bezogen. Durch eine wunderhübsche erodierte Steppenlandschaft läuft diese angenehme Piste. Leider verlässt sie recht schnell die Ebene und beginnt heftig anzusteigen. Ich erreiche ein erstes kleines, malerisch gelegenes Dorf, hiernach verläuft die Strecke in einem engen Tal, mitten im Flußbett. Beiderseits steigen senkrecht Felswände empor, das Fahren ist möglich, aber sehr schwierig und kräftezehrend. Nach wenigen Kilometern und dem Überprüfen der nächsten Wegpunkte entscheide ich, zu campieren. Am beginn eines größeren Palmenhaines mitten im Oued schlage ich mein Zelt auf, koche und lausche den Vogelstimmen. Plötzlich höre ich das Rauschen von Wasser und tatsächlich: wenige Meter weiter tritt eine kleine Quelle aus der Felswand. Wunderbar, um die Wasservorräte brauche ich mir also keine Sorgen zu machen. Kurz vor Sonnenuntergang bekomme ich überraschenderweise dann noch Besuch. Zwei Lehrer aus dem offenbar demnächst folgenden Dorf machen einen Spaziergang und besuchen mich natürlich neugierig. Sie sprechen gut Englisch, die Konversation ist interessant und dauert lange, ich friere schon ein wenig. Sie laden mich mehrfach zu sich nach hause ein, ich entschließe mich jedoch zu bleiben. Ich will morgen früh los, wer weiss, was mich noch erwartet?!
Schwerer Brückenschaden... |
Eine Coke gibts überall... |
Die Oase Tisgui |
1.2.03
Ein Tag für die Ewigkeit. Ich glaube ich war auf einer Radreise selten so nah am Rande der Erschöpfung, wie heute. Mit dem ersten Licht ging es los. Das Flussbett wurde immer steiniger, steiler und war im Prinzip gar nicht mehr zu befahren, lediglich 50 m Abschnitte waren im Sattel noch drin. Man muß schon fast sagen bedauerlicherweise wurde das ganze von einer grandiosen Landschaft begleitet. Pittoresk thronten Häuser wie Adlerhorste an den Wänden, im milden Morgenlicht durchquerte ich wunderschöne Orte, durch die sicherlich seltenst Fremde kommen. Leider hatte ich nur zu wenig Lust zum Schauen. Das vollbeladene Rad (ca. 30 kg Gepäck) liess sich nur unwillig manövrieren. Nachdem ich mich mit dem Schieben abgefunden hatte, demontierte ich die Pedalen, um nicht ständig die spitzen Bärentatzen in der Wade zu spüren...
Es war kühl, nur 1-2 ° C, die Sonne gelangte erst spät über die Felsränder. Zu der physischen gesellte sich die psychische Belastung, nachdem die Orte immer dünner wurden, dann völlig ausblieben, der Fluß weiter in immer engeren Kurven durch das Gebirge mäanderte, war mir klar, dass ich von Wegpunkt zu Wegpunkt teilweise eine Stunde unterwegs war und dabei nur 1 km Luftlinie zurücklegte. Immer wieder machte ich Eß -und Trinkpausen, aber es war abzusehen, dass die Vorräte nicht ausreichen würden, wenn es so weiter ginge.
Ein alter Mann, den ich traf, meint, es würde nach 2 km besser werden. Inch allah! Aber er hatte recht, die Piste erhob sich aus dem Flußbett, allerdings so steil, dass ich weiterhin nicht fahren konnte, 15, teilweise 18% auf Schotter bergauf. Naja, in der Ruhe lag die Kraft und ich schob weiter über 10 cm hohe Felskanten. Die Piste wurde selten befahren, das war deutlich. Endlich, auf 1700 m Höhe am Ende der Gipfel angelangt, ging die Strecke in eine Art Höhen-(kamm)straße über. Leider immer noch leidlich steinig, aber immerhin fast eben, gelang es mir gelegentlich in den zweistelligen Bereich der Tachoanzeige vorzudringen. Nach 4 Stunden waren knapp 30 km zurückgelegt.
Unterwegs eine nette Begegnung mit einem Eselreiter, dem einzigen Menschen, den ich über Stunden traf. Mit Händen und Füßen kamen wir klar, er machte mir sogar eine kleine Skizze über den weiteren Streckenverlauf, die ziemlich exakt war. Dann auf 1900 m Höhe das Ziel meiner Wünsche, das Dorf Tazalarhite. Auf dem Bergkegel gelegen, Frauen am Brunnen geben mir Wasser, ca. 150 ml hatte ich noch. Ich kann das Ende der Piste kaum erwarten. Mit bis zu 20% Gefälle schiebt es mich auf riesigen Steinen rumpelnd, bremsend mit schmerzenden Händen hinab. In die Wärme! Den ganzen Tag hatte ich trotz langer Hose und Fleecepulli gefröstelt, war das Thermometer nicht über 10°C gekommen. Völlig erschöpft sitze ich auf der erreichten Asphaltdecke.
Nur wenige Kilometer später erreiche ich den Tizi-n-Mili an der Route Tafraoute - Agadir. Vor 4 Jahren hatte ich hier im Hagel in einem kleinen Laden Schutz gesucht, heute tut sich unter mir ein grandioser Ausblick in das Tal auf. Lange sitze ich auf einem Plastikstuhl am Rand des Abgrundes und geniesse einfach nur. Eine halbe Stunde und 20 km später erreiche in den Campingplatz von Tafraoute. Hier ist es trotz der vielen Wohnmobile sympathisch, das ganze Tal voller blühender Mandelbäume, eine Oase des Frühlings. Störend nur die mit nacktem Oberkörper boulenden Rentner. Man kann nicht alles haben, gell?
Eine schwere Piste in großartiger Szenerie |
Eine nette Bekanntschaft |
Im Tal von Tafraoute |
2.2.02
Jetzt hatte ich mir einen Ruhetag aber mehr als verdient. Das Hochtal, in dem Tafraoute liegt, bot sich hierzu mehr als an. Aber so ganz ruhen kann ich eigentlich nie ;-)
Zwei kleine Ausflüge jeweils für den Vor- und Nachmittag standen auf dem Programm: die peintures oder painted rocks des Belgiers Jean Verame aus dem Jahr 1984 wollte ich mir nochmals anschauen. Ähnliche Projekte hatte dieser Künstler auf dem Sinai und in Algerien durchgeführt. Ca. 7 km südlich der Stadt finden sich zwei kleine Tafeln, die auf die Kunst hinweisen, nach 3 km Pistenfahrt erreicht man die riesigen überwiegend blau und rosa bemalten Felsbrocken, die in der pittoresken Felslandschaft liegen. Außer mir kein Mensch weit und breit, ein schönes Erlebnis. Nachmittags nutzte ich den freien Tag zum Abstecher Richtung Taska, westlich von Tafraoute. Ich ließ mich ziellos durch die Palmenoase treiben, bewunderte die volle Pracht der Mandelblüte und stöberte die "berühmte" Gazellengravur auf. Nebenbei traf ich auf ein nettes Paar aus Krems (A), unterwegs im ausgebauten Landcruiser. Unser Klönschnack war der einzige mit echten Travellern auf dieser Reise.
Es war schon auffällig, wie leer das Land insgesamt wirkte. Außer den allgegenwärtigen Kolonnen französischer (80%), italienischer (10%) und deutscher (10%) Wohnmobilisten (die aufgrund Ihrer Verweildauern auf marokkanischen Campingplätzen das Wort mobil ad absurdum führen...) traf ich in den 9 Tagen keinen Motorradtouristen, einen Schweizer Radfahrer und keine 5 individuelle auf- oder ausgebaute (Gelände-)Fahrzeuge. Auffallend kontrastierend hierzu die Freundlichkeit, Ehrlichkeit und Offenheit der Bevölkerung. Meine anfänglichen Sorgen bzgl. der weltpolitischen Lage reduzierten sich täglich und waren irgendwann nicht mehr existent.
Am Abend dann der übliche Versuch, mich in einen Souvenir-/Teppichladen zu schleppen, diesesmal sehr professionell und vielleicht auch wirklich einmal eher zufällig herbeigeführt. Während ich völlig entspannt in den letzten Sonnenstrahlen meinen Benzinkocher aufglühen lasse, nähert sich ein gut deutsch sprechender, leicht wohlgenährter Marokkaner, spricht mich an und verwickelt mich in ein interessantes Gespräch. Aufgrund meiner rudimentären Französischkenntnisse bin ich über deutsche oder englische Kontakte immer froh und nutze sie intensiv aus. Dieser Mann war angeblich schon mehrfach in Deutschland, kennt hier und da jemanden und ist natürlich zufällig Besitzer eines großen Geschäftes am Ort. Da er mir vom Internetcafe in der Nähe berichtet, nutze ich die Gelegenheit zu meiner ersten Mopedtour in Afrika und reite mit ihm...
Nach 45 min surfen betrete ich die "maison touareg", einen wirklich schönen Laden und bei einem Tee liegen flugs ein paar Teppiche am Boden. Nun ja, insgesamt dennoch alles ganz easy und zwanglos, ich hätte hier ein paar 10tausend DH lassen können, aber ohne meine Frau - Ihr versteht schon. Vielleicht nächstes Jahr - inch allah! Schöner als bei Kibek war´s allemal.
Die painted rocks bei Tafraoute |
Mandelblüte im Anti Atlas |
3.2.02
Auf diesen Tag hatte ich mich schon lange gefreut! Nach einer Beschreibung aus Edith Kohlbachs Marokkoführer und einem persönlichen Kontakt mit ihr, war klar, dass es ein Schmankerl werden musste. Schon in der Dunkelheit brach ich auf, galt es doch die Etappe sicher an diesem Tag zu schaffen, da die Tour sich dem Ende neigte.
Was ich dann erlebte war in der Tat einzigartig. Eine wunderschöne, fast unbekannte und nahezu menschen- und fahrzeugleere Strecke durch die Hintertür des westlichen Anti-Atlas, ja man könnte nach der Tour sogar meinen: durch den wahren Anti-Atlas! Selten bin ich auf Asphalt eine Route mit soviel Abwechslung, soviel Kurven und Steigungen und solchen landschaftlichen Highlights gefahren. Die Strecke stieg spontan in die Top 10 Marokkos auf...
Aber von vorne. Nach einem langen Anstieg aus dem Ammelntal (Route ist in der Michelin 959 nicht eingezeichnet, verläuft quasi von Taguenza nach Tanalt) über 400 Höhenmeter mitten hinein in das Herz des Gebirges, nahm die Strecke jedes Dorf am Rande irgendwie mit. Durch eine zauberhaft blühende Landschaft voller Farben, mit Schmetterlingen, Erdhörnchen, Eidechsen und ab und an freundlich neugierig grüssenden Menschen ging es in ständigem Auf -und Ab dahin.
Vieles erinnerte mich kolossal an das jordanische Hochland, insbesondere die exponierte Lage des Ortes Tanalt, den man allerdings nur am Rande streift. Zwischendurch der Abzweig der Route nach Anezi, ebenfalls hervorragend ausgebaut. Anschließend ein tiefer Abstecher in das herrlich kühle Tal des Oued Takoucht, um gleich auf der Gegensteigung großartige Ausblicke zurück erleben zu können. In Aougounz angekommen (wie hier so gab es auch zwischendurch immer wieder kleinere und größere Läden, insgesamt schien die Versorgungslage nicht schlecht) wurde mir offenbart, dass es inzwischen eine weitere neue, asphaltierte Variante gen Ait Baha gebe. Bis jetzt zeigte der Höhenmesser 1300 m bergauf an. Die neue Strecke sei 8 km kürzer, ich entschied mich für sie. Leider waren mehrfach kleinere Teilstücke noch im Rohzustand, insbesondere auch der erste sehr steile Abschnitt hinunter von Paß direkt hinter dem Ort. Zudem war vielerorts bis Targa Touchka die Decke aus kleinen losen Steinchen noch nicht festgesetzt, so dass das Fahren erschwert wurde. Dafür blieb das Achterbahn-Feeling.
Ab Targa Touchka schien die Straße schon deutlich länger geteert zu sein, insgesamt standen jetzt nur noch geringer Amplituden auf dem Programm, letztendlich nach über 8 Stunden reiner Fahrtzeit in Ait Baha angekommen, waren mehr als 2000 Höhenmeter registriert (da die Tendenz der befahrenen Route von 1000 auf 500 eher fallend ist, möge man vermuten, dass die Gegenrichtung nicht an einem Tag zu schaffen ist...).
Nach einem kleinen Zwischenstop fand ich einige Kilometer ausserhalb eine passable Stelle zum Übernachten und bereitete mein letztes Nachtlager der Reise irgendwo auf einer akazienbestandenen Wiese mit herrlichem Blick auf den Sonnenuntergang, Plattfuß inklusive.
pittoreske Dörfer im Frühlingskleid |
die Achterbahn durch den Antiatlas |
eine wahre Traumstrecke |
4.2.03
Da war er schon wieder, der letzte Tag. Um 12:00 h wollte ich am Flughafen sein, 3 Stunden später ging der Flieger. Blieb also genug Zeit für die letzten 50 Kilometer und einige rituelle Handlungen, zunächst natürlich ein ausgiebiges Frühstück im Cafe in Biougra. Immer wieder fielen mir auf der Strecke neue asphaltierte Abzweige auf, das Streckennetz wächst gewaltig an in den letzten Jahren, natürlich verdichtete sich auch der morgendliche Verkehr. An der großen Tankstelle bei Ait Melloul ließ ich mein Rad gründlich waschen und machte eine freundliche Bekanntschaft mit einem Fahrschullehrer aus Agadir (Mohamed, was auch sonst), der sich als eingefleischter VTT-Freund entpuppte und von diversen Touren berichten konnte, sowohl in der Umgebung Agadirs wie auch im Hohen Atlas.
Alles weitere ging dann schnell und unspektakulär, nach einem komfortablen kurzweiligen Rückflug im Bauch eines Airbus betrat ich um 20:30 h Hamburger Boden und schloß um 21:15 die Haustür auf. Bis zum nächsten Mal in Afrika - Al-hamduli-llah!
In der Fahrradwaschanlage |
Flug über Agadir: die Bucht, der Königspalast, der Oued Souss |
Technische Daten der Reise
Tag | Km | Fahrtzeit | Schnitt | Höhenmeter | Höchster Punkt | Temp. max | Temp. min | Übernachtung | Ausgaben(10 DH = 1 €) |
27.1. | 112 | 5:15 | 21,2 | 385 | 420 m | 22 | 13 | 420 m | 21 DH |
28.1. | 94 | 6:58 | 13,5 | 1413 | 1510 | 22 | 5 | 1510 m | 29 DH |
29.1. | 108 | 7:34 | 14,2 | 1893 | 2036 | 18 | 4 | 1800 m | 37 DH |
30.1. | 160 | 8:13 | 19,4 | 492 | 1875 | 20 | 0 | 670 m | 62 DH |
31.1. | 90 | 5:50 | 15,3 | 913 | 1185 | 20 | 5 | 1185 m | 41 DH |
1.2. | 76 | 6:33 | 11,5 | 1245 | 1892 | 20 | 1,1 | 1000 m | 32 DH |
2.2. | 33 | 2:15 | 14,4 | 315 | 1250 | 19 | 1,4 | 1000 m | 100 DH |
3.2. | 126 | 8:23 | 15 | 2111 | 1326 | 19 | 0,8 | 520 m | 25 DH |
4.2. | 53 | 2:26 | 21,7 | 78 | 520 | 16 | 6 | - | 85 DH |
845 | 53:45 | 8845 | 432 DH |
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