Trotz der Kriege und des Tourismus und der Satellitenbilder ist die Welt noch genauso groß, wie sie immer war. Mich erfasst Ehrfurcht, wenn ich bedenke, wie viel von ihr ich nie sehen werde. In diesen Tagen ist es keine Affäre um die Welt zu reisen, denn wenn man eine Menge Geld bezahlt, kann man in weniger als achtundvierzig Stunden ohne Aufenthalt um sie herumfliegen, aber um sie kennen zu lernen, sie zu riechen und zwischen den Zehen zu spüren, muss man kriechen. Es gibt keine andere Möglichkeit. Weder fliegen noch auf dem Wasser treiben. Man muss auf dem Erdboden bleiben und die Insekten schlucken, während man sich fortbewegt. Dann ist die Welt von immenser Größe. Ted Simon (Jupiters Fahrt) |
Ich war in Marokko und habe nicht nur Insekten
geschluckt. Habe wegen dem sich in der Luft befindlichen Sand, aber auch oft
wegen den Rahmenbedingungen wie Entfernungen, Hygiene und den gebetsmühlenartig
nach „Stylo“ fragenden Kindern, geschluckt. Habe mich während der ersten
Woche gefragt „Was mache ich hier eigentlich?“. Der Gedanke: „Marokko nie
wieder“ ging mir zwischen dem 3. und 4. Tag ständig durch den Kopf und auch
die Frage: „Wie stehe ich hier 3 ½ Wochen durch?“
Ich war in Marokko und es ist von immenser Größe.
Sowohl was die Entfernungen betrifft als auch und dies ist wirklich das Größte
von mir in Marokko Erlebte, es ist von immenser menschlicher Größe. Worte wie
Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft werden hier gelebt und nicht nur
ausgesprochen. Über die Menschen Marokkos habe ich Zugang zu diesem Land
gefunden.
Daher habe ich nicht gleich mit dem Bericht begonnen, sondern wollte mich schon zu Beginn bei den Menschen Marokkos bedanken. Danke, dass ich dort sein und eure Gastfreundschaft genießen durfte. Es war schön.
30.04.2006, Agadir, wolkenlos 14°
Nach einem „frühen“
Frühstück (06.00h) starte ich meine Marokkotour gegen 06.45h in Agadir. Die
Streckenführung erweist sich, zumal GPS unterstützt, als einfach.
Wie immer fahre ich am
Anfang etwas zu schnell, aber ob Agadir, Sevilla oder Bilbao, diese größeren
Städte wirken auf mich immer etwas trostlos, sodass ich schnellstmöglich aufs
Land möchte.
In der Nähe des
Flughafens unterbricht eine Baustelle die einfache Orientierung, aber durch
einen Zwischenspurt erreiche ich rechtzeitig vor der nächsten Kreuzung, zwei
Rennradfahrer die mir den Weg nach Biougra zeigen. Hinter diesem Ort fängt
schlagartig der raue Asphalt an, der mich durch ganz Marokko begleiten wird. In
Ait Baha begebe ich mich auf die von Julius vorgeschlagene Route und bin noch
nicht richtig in Marokko angekommen. Die Landschaft ähnelt sehr der in Südspanien
(Alhama de Granada). Ein Marokkogefühl kommt nicht.
Während ich einen
kleinen Ort durchfahre, werde ich zum ersten Mal von Kindern angebettelt. „un
stylo“ wird gebetsmühlenartig wiederholt. Aber es hält sich in Grenzen.
Übrigens habe ich mir
angewöhnt alle Marokkaner mit „Salam“ (Kurzform von Salam Aleikum = Guten
Tag), und wenn es die Fahrt erlaubt, auch mit Handzeichen zu grüßen. Bei den
Frauen halte ich mich noch etwas zurück, doch die älteren Frauen grüßen
ebenfalls freundlich.
Überall in den
Baumkronen halten sich Ziegen auf, die bei der Herstellung des teuren Arganienöls
helfen. Die Ziegen lieben das Fruchtfleisch, das sich nur schwer vom Stein löst,
während sie den unverdauten Kern wieder ausscheiden. Also, lässt man die
Ziegen die Arganienfrüchte essen. Die Frauen sammeln dann die getrockneten
Ziegenköttel ein, aus denen die Kerne herausgewaschen werden. Das Innere der
Kerne wird geröstet und zu Öl verarbeitet. Die Ziegen in den Bäumen habe ich
alleine entdeckt, aber den Rest habe ich von Julius Grossmann erfahren. Man kann
ja nicht alles wissen.
Nach ca. 70 km mache
ich eine längere Pause und genieße die Stille. Auf den Straßen ist kaum
Verkehr und wenn doch, hört man ihn schon Minuten vorher, so ruhig ist es hier.
Nach weiteren 20 km öffnet sich plötzlich das Tal und wird deutlich breiter.
Im Tal befindet sich ein markanter Kegelberg auf dem eine imposante Ortschaft,
die an eine Wehrburg erinnert, thront. Eindrucksvoll.
Ein Hotel in dieser
abgelegenen Gegend zu finden erscheint mir aussichtslos und so fahre ich, die
Landschaft auf mich wirken lassend, vor mich hin. Und plötzlich, mitten im
Nichts, fahre ich an einer Auberge vorbei. Vollbremsung und hinein. Die Nacht im
gemauerten Zelt, einzelne Zimmer gibt es nicht, kostet 50 DH (10 Dirham = ca. 1
€ ) und Bratspieße vom Schaf (Brochettes) gibt es für 40 DH.
Bin der einzige Gast und wegen mir muss Ibrahim, der Laufbursche des Besitzers, die von ihm genutzte Unterkunft räumen und die Nacht im Freien schlafen. Die Dusche direkt neben dem WC ist gewöhnungsbedürftig.
01.05.2006,
Mehda, 10°, wolkenlos
Es ist 6.10h als der
Chef unüberhörbar die Tür aufreißt. Mein Bonjour erwidert er mit einer
eindeutigen Handbewegung in Richtung Wohnhaus. Fünf Minuten später bekomme ich
Kaffee und ein Fladenbrot, wahlweise mit Honig oder La vache qui rit.
Das Brot ist
knochenhart. „Guten Morgen Marokko“. Er ermutigt mich noch eins zu essen, um
für das Radfahren fit zu werden. Nein, danke.
Die Landschaft
bleibt unverändert hügelig und man fährt kaum durch Ortschaften. Nach einiger
Zeit komme ich auf die Straße, die Tafraoute mit Ait Abdallah verbindet.
Kurzentschlossen lasse ich Tafraoute rechts liegen und fahre in Richtung der
ersten Piste in Marokko. Mit dem Essen scheint es grundsätzlich nicht so
einfach in Marokko zu sein. Die kleinen Ortschaften haben max. 1-2 kleine Geschäfte,
wobei die Betonung auf klein liegt. Dort kann man Getränke, Brot, viel Süßigkeiten
und Thunfisch in Dosen kaufen. Das war es aber auch schon. Ok, es gibt noch Öl,
Salz, Zucker und Hirse. Dies steht allerdings nicht auf meiner Einkaufsliste.
In genau solch einem Laden mache ich in Tawli bei Ahmed Hinda Rast. Diese fällt mit fast einer Stunde relativ lange aus. Mit englisch, französisch sowie mittels lustiger Zeichnungen unterhalten wir uns ausgezeichnet und ich wäre am liebsten länger geblieben, aber ich habe ja noch einiges vor mir.
Ahmed
und sein Vater
Kurz vor dem Pisteneinstieg mache ich im Schatten einer verfallenen Kasbah mein Mittagsschläfchen.
Letzte größere Ortschaft vor der Piste nach Osten.
Die
staubige Piste beginnt mit einem kurzen steilen Anstieg und danach eröffnen
sich sehenswerte Ausblicke, die sich im Laufe des Tages noch steigern sollten.
Die Berge sind durch die Erosion so sehr abgetragen, dass man die
Gesteinsschichten deutlich sehen kann. Und diese Gesteinsschichten geben jedem
Berg seinen eigenen Charakter. Mal sind sie leicht geschwungen, mal eckig und
dann ganz bizarr.
Unterwegs
auf den Feldern treffe ich fast ausschließlich Mädchen und Frauen bei der
Feldarbeit. Die meisten grüßen von sich aus. Wenn ich ihnen „Salam“
zurufe, wird dies immer, verbunden mit einem herzlichen Lächeln, erwidert.
Nachdem
ich eine menschenleere Ansiedlung durchfahren habe, geht es steil bergauf und
ich erreiche ein Hochplateau auf 1.800 m Höhe. Nach einigen Kilometern kommt
ein kleines Dorf und sicherheitshalber steuere ich auf den abgeschlossenen
Brunnen zu. Ein älterer Mann gibt mir zu verstehen dass ich mich erst mal im
Schatten hinsetzten sollte. Jetzt erkenne ich, dass es sich um eine Mühle
handelt, wobei seine Frau die Ehre hat, sich im Kreis bewegen zu dürfen. Als
sie einen Sack Mehl fertig hat, was verständlicherweise seine Zeit braucht,
schließt sie den Brunnen auf und pumpt mir meinen 4 Litersack voll.
Schukran
und Besslama, und weiter geht’s.
Als
ich das Dorf verlasse, werde ich von den Frauen auf den Feldern mit Rufen und
Winken gegrüßt. Ganz im Gegensatz zu den mir entgegen kommenden Radfahrern.
Radwanderer auf dieser Piste und dann noch so zahlreich. Während ich meine
Fahrt verlangsame und den ersten Radfahrer mit Salam begrüße, schaut dieser
nur kurz auf, erwidert kurz Bonjour und nimmt den Kopf nach unten und fährt
weiter. Das wiederholt sich noch bei den nächsten fünf ihm folgenden
Radfahrern. Ok, es wiederholt sich nicht ganz, denn drei erwidern nicht einmal
meinen Gruß. Das müssen „Wagges“ (Spitzname für Franzosen) sein, denke
ich mir, und sehe in der Ferne noch einmal 4 Radfahrer. Diese stehen allerdings
und machen eine Pause. Kurzes Hallo und ich erfahre das es wirklich „Wagges“
sind. Zehn bornierte, sehr elitär angehauchte Franzosen, die mich vor den
aggressiven Bewohnern der nächsten Ortschaft warnen. Und tschüss.
Zurück
zur Natur. Nach dem Dorf wird die Hochebene richtig schön. Der Boden ist rötlich
braun und von grünen, flachwüchsigen (max. 30 cm hohen) Büschen übersät.
Der Weg führt in weiten Bögen nach Osten und man hat einen freien Überblick,
über das, was auf einen zu kommt. Und es kommt Landschaft pur auf mich zu.
Sanft geschwungene Hügel, ab und an ein schmales Gerstenfeld und ein angenehmer
Duft umgeben mich.
Während
der Fahrt schaue ich auf dem GPS-Gerät wie weit es noch zu dem Biwakplatz von
Julius ist. Doch kurz danach erwischt es mich. Platten, immerhin der
Vorderreifen. Da ich aber gerade an den einzigen Bäumen seit langer Zeit
vorbeigefahren bin, geht es zurück und dies wird mein Übernachtungsplatz. Seit
Jahrzehnten die erste Übernachtung im Zelt.
Ruckzuck
steht das Zelt, der Reifen wird geflickt, etwas gegessen und sich auf eine kühle
Nacht eingestellt, da über die Hochebene ein heftiger Wind weht. Mache noch ein
Paar Fotos von der unmittelbaren Umgebung und frage mich, ob ich wirklich
alleine bin. Kaum daran gedacht, ob ich alleine bin, sehe ich einen Hund, der
sich bis auf 20 Meter nähert, aber dann doch das Weite sucht.
Ich bin zwar nicht in der Prärie und es war auch kein Wolf, aber kurz musste ich an den Film „Der mit dem Wolf tanzt“ denken.
02.05.2006,
Piste bei, N 29° 42´ 37.5´´, W 8° 42´15.7´´ (1.811 m) , 8°, wolkenlos
Gegen
07.00 h starte ich mit Arm- und Beinlingen bei frischen 8°. Noch einmal geht es
etwas bergauf, um danach fast den ganzen Tag tendenziell bergab. Einige Zeit
kommt man auf der Piste zügig voran bis es auf einmal zu einer Abfahrt an einem
Steinbruch kommt. Von hieran wird es recht holprig. Dieser Rüttelbelag hält
sehr lange an um sich dann in eine Geröllpiste zu verschlechtern. In
umgekehrter Richtung möchte ich diese Strecke nicht fahren.
Während
die Arme mit dem Lenken beschäftigt sind, haben die Beine eine längere Zeit
Ruhepause. Ganz im Gegensatz zu den Augen. Die sind voll und ganz gefordert.
Zwischen dem besten Fahrweg suchen und dem ständigen Staunen, ob der immer schöner
werdenden Schlucht durch welche die Geröllpiste führt. Diese wildromantische
Schlucht wird immer enger und die felsigen Wände rechts und links ragen immer
mehr in die Höhe. Toll!
Wie
an einer Perlenschnur reihen sich plötzlich, in schöner Regelmäßigkeit,
kleine und kleinste Ansiedlungen aneinander. Getrennt werden sie von
landwirtschaftlichen Minianbauflächen. Teilweise sind diese nur 5 mal 5 Meter
groß. Überall stehen Palmen, die diesen Getreide- und Gemüseanbau mit genügend
Schatten unterstützen.
Umgeben
von dieser grandiosen Kulisse kommen plötzlich, wie aus dem Nichts, nach „Stylo“
fragende Kinder. Sogar hier, nicht zu fassen. Ob dies die aggressiven Bewohner
waren, vor denen mich die Franzosen gewarnt hatten?
Im
letzten Weiler, vor dem Verlassen der Schlucht, kann ich noch eine ungekühlte
Cola kaufen und kurz danach, unmittelbar vor Tisgui-Ida-ou-Ballou, treffe ich
auf die ersten Berbernomaden.
Auch
diese schöne Schlucht hat ein Ende.
Die
zwei Cafés von Tisgui-Ida-ou-Ballou haben zusammen ein Fladenbrot, das ich mit
Thunfisch aus der Dose serviert bekomme. Der Traum meiner kulinarischen Wünsche
geht in Erfüllung. Etwas Warmes hätte ich schon gern gegessen. So habe ich
halt gut 70 km bis nach Tata - ohne was richtiges im Magen - vor mir. Marokko,
deine Verpflegungslage lässt uns nicht zu Freunden werden. Um meine Stimmung zu
steigern, hatte nebenbei noch einen Platten, kommt ein heftiger Gegenwind hinzu.
Immer wieder ertappe ich mich bei dem Gedanken „Wie schön ist es doch in
Spanien“. Jede kleine Bar oder Bodega kann dir schnell was auf den Tisch
zaubern.
Was
soll’s, Augen zu und durch.
Durch
ein immer breiter werdendes Tal und durch zahlreiche Queds fahre ich, immerhin
meist leicht bergab, nach Tata. Dort angekommen, geht es schnurstracks in das
Hotel Renaissance(120 DH). Meine Frage nach dem Zeitpunkt für das Abendessen
wird mit 20.30h beantwortet.
Über
zwei Stunden warten, ohne mich. Also duschen und ab in die Stadt.
Im
Ort erhalte ich aber nur gleichlautende Antworten. Da spricht mich Hassan an,
blau gekleidet genau wie diese typische Marokkanern vor der Edith Kohlbach in
ihrem Buch gewarnt hat. Egal. Der Hunger ist am längeren Hebel. Nachdem ich ihm
mein Problem geschildert habe geht es direkt zum Hauptplatz oder genauer zu
Husseyin. Dieser erklärt allerdings, dass die Tajine (Eintopf aus Gemüse und
Fleisch) gerade erst aufgesetzt wurde. Nach einigem hin und her einigen wir uns
auf einen Salat und Kefta (Fleischbällchen).
10
Minuten später habe ich einen frischen Salat mit Fladenbrot und keine weiteren
5 Minuten danach bekomme ich meine Fleischbällchen. Dazu einen „Thé a la
mente“ und der Abend ist gerettet. Nebenbei schmeckt alles köstlich und ich
entschließe mich spontan einen Tag in Tata zu bleiben. Für den nächsten Tag
bestelle ich schon mal Tajine mit Schaf.
Übrigens Hassan, der blau gekleidete Marokkaner, wollte nichts für seine Hilfe, kam später noch mal kurz vorbei und hat einen Tee mit mir getrunken. Und Husseyin, der mir mit seinem spitzbübischen Jean-Paul Belmondo-Lächeln, sofort sympathisch war, hatte genau das richtige Gespür für Aufmerksamkeit und die nötige respektvolle Distanz. Danke.
03.05.2006,
Tata, 10°, wolkenlos
- Pause -
Den
relativ frühen Pausentag dieser Tour verbringe ich fast nur in der Nähe des
Hauptplatzes. Treffe Hassan zum Tee trinken. Besuche kurz ein Internetcafé.
Esse sowohl mittags als auch abends bei Husseyin, jedes Mal zu meiner vollsten
Zufriedenheit.
Und der Rest ist aufsaugen der herrlich orientalischen Atmosphäre.
Essen
im Blick, so lässt es sich entspannt beobachten.
04.05.2006,
Tata, 12°, wolkenlos
Peinlich
startet dieser Tag. Fahre, nachdem ich im Hotel nach dem Weg gefragt habe, doch
tatsächlich in die falsche Richtung. Als es nach 5 km immer noch nach Norden
geht, schalte ich mal auf die Kartenansicht meines Garmin. Blöder Typ im Hotel,
blöder Werner auf dem Rad. Das Ganze zurück. Diese 10 km werden mir heute noch
wehtun, da bin ich mir sicher.
Kurz
hinter Tata, dieses mal in die richtige Richtung, wird es karg und trostlos.
Tja, und das ändert sich, mit kurzen Ausnahmen, den ganzen Tag nicht. Die
Strecke zieht sich, bei heftigem Gegenwind, wie Gummi. Bis Tissint, das ich nach
knapp 85 km erreiche, gibt es keine Abwechslung. Nach der freundlichen
Polizeikontrolle in Tissint esse ich mal wieder, mangels Alternative, Brot mit
Thunfisch. Verlasse den Ort und sehe den Kilometerstein mit der Angabe der
Entfernung bis zu meinem heutigen Ziel – 63 km bei exakt 36°.
Kurz
hinter Tissint
Der
Wind weht immerhin nicht mehr so heftig. Die Landschaft? Wüstenähnlich, oder
ist das schon Wüste, geht es monoton weiter. In der Ferne ist links ein Gebirge
zu sehen während der Gebirgszug zur rechten manchmal nur einen Kilometer
entfernt ist. Dazwischen ist ein staub- und steingefülltes ödes Becken. Und
dadurch fahre ich. Das wird heute eine reine Überbrückungsetappe. Hauptsache
in Foum-Zguid ankommen.
Steuere
auf einen Wegpunkt von Julius zu, der mit „Badestelle“ beschriftet ist. Ich
denke mir schon beim Verlassen der Straße, dass es sinnlos ist, zu dieser
Jahreszeit Wasser zu erwarten. Immerhin hätte es für meine Füße gereicht.
Also, keine Erfrischung.
Markanter
Berg, kurz vor Foum-Zguid
Ertappe mich bei dem Gedanken ab morgen den Weg nach Norden Richtung Mittelmeer einzuschlagen. Den Rückflug ab Agadir sausen lassen und irgendwie in mein geliebtes Spanien zu kommen. Die Worte Bodega, Tapas, Cerveza sin Alcohol sind ständig in meinem Kopf. Plötzlich merke ich, dass mein Forums-Buff weg ist und zu allem Überfluss kommt auch noch ein schleichender Plattfuß hinzu.
Oh,
oh. Hoffentlich ergeht es mir besser.
So
erreiche ich, mit Hängen und Würgen, die Auberge Iriki in Foum-Zguid.
Motiviert sein sieht anders aus.
Anscheinend
mache ich so einen geschwächten Eindruck, dass man mich zuerst fragt, was ich
zu essen haben möchte. Danach ruft der Chef nach drei jungen Burschen, die mein
Gepäck und das Rad auf mein Zimmer im ersten Stock tragen. Schukran. Kurze
Dusche, 2 Hawaii, 2 Fanta und 1 Cola später gibt es auf der Dachterrasse
Abendessen.
Habe
die Möglichkeit, mich zu einer Gruppe Franzosen oder blöden Deutschen mit sehr
elitärem Gehabe zu setzen. Die Lösung kommt in Gestalt von Pierre auf die
Dachterrasse. Kurzes Anlächeln, er checkt die beiden Tische kurz ab und
gleichzeitig setzen wir uns mitten auf der Terrasse auf zwei Stühle, ohne dass
ein Tisch in der Nähe ist. Unmittelbar danach kommt seine Frau Marie hinzu und
ein Tisch wird gebracht und eingedeckt.
Es
wird ein sehr unterhaltsamer Abend. Pierre ist Franzose, seine Frau ist
Spanierin und ruckzuck probieren wir quer Beet unsere unterschiedlichen Speisen.
Wir unterhalten uns über alles Mögliche.
Dieser
angenehme Verlauf des Abends veranlasst mich zu folgender Feststellung:
Ist
es nicht schön, dass sich eine Spanierin, ein Franzose und ein Deutscher in
einem fremden Land treffen und so entspannt zusammen essen und diskutieren können?
Und als ich anfüge, dass unsere Großeltern sich so etwas nicht vorstellen
konnten, erwidert Pierre, nicht einmal seine Eltern hätten sich dies vorstellen
können.
Na,
wenigstens war der Abschluss des Tages positiv.
Und morgen geht’s ab auf die Piste in die richtige Wüste.
05.05.2006,
Foum-Zguid, 26°, wolkenlos
Dass
dieser Tag mit einem Schnitt von 24,9 km/h enden würde, hätte ich mir nicht träumen
lassen. Aber der Reihe nach.
Verlasse
F.Z. und kurz hinter dem Stadttor geht es links auf die Piste. Heute ist mein
Garmin ab der Herberge auf Kartenansicht geschaltet.
Holpere
vor mich hin, passiere das bruchgelandete Flugzeug und verfolge aufmerksam die
GPS-Angaben. Nein, nicht schon wieder. Ein schleichender Plattfuß und das
gleich am Pisteneinstieg. Ohne lange zu überlegen mache ich eine Vollbremsung
und kehre zur Herberge zurück. Wird, so hoffe ich, bis zur Herberge halten.
Ging ja gestern auch gut.
In
der Herberge angekommen vermuten alle, dass ich etwas vergessen habe. Nein
Pierre, aber heute ist nicht mein Tag. Beziehe mein Zimmer wieder, flicke meinen
Reifen und mache mich mit leichtem Marschgepäck Richtung Norden. Düse an
Hunderten von Schulkindern mit einem Puls von 150 vorbei. Nach 20 km habe ich
mich ausgetobt und mache kehrt.
Rolle
wieder in die Herberge zurück und stelle nach dem Duschen fest, dass Pierre und
Marie immer noch da sind. Ihre Kinder sind beide erkrankt und eine Ärztin
untersucht sie gerade.
Am
Vorabend wollte mir Marie partout nicht sagen aus welchem Ort in Spanien sie
kommt. Der wäre so klein, den kennt man eh nicht. Hake heute nochmal nach und
sie nennt Pego als ihren Geburtsort. Auf meine Frage, ob es Pego zwischen
Valencia und Alicante in der Nähe von Oliva und Ondara sei, antwortet Pierre
mit lautem Lachen: Volltreffer.
Die
Welt ist eben doch ein Dorf. In diesem Ort war ich schon mehrmals.
Der
Chef der Herberge
Den Rest vom Tag hänge ich rum, höre Musik, esse und trinke. Werde doch nicht zunehmen?
06.05.2006,
Foum-Zguid, 26°, bedeckt
Der
am Vortag versprochene Kaffee um 07.00h ist noch nicht zu riechen, dafür hallt
mir das Schnarchen des Personals entgegen. Nach meinem laut und deutlichen
„Sabah el nur“ blicke ich in erschrockene Augenpaare. Also wird es nichts
mit dem pünktlichen Aufbruch.
Der
Start erfolgt daher erst um 8.30 h und es sind bereits 28°.
Der
Einstieg in die Piste ist ja von gestern bekannt, also probiert Werner eine Abkürzung.
Zuerst über die Startbahn, weil die so schön eben ist; danach ab auf eine von
Mopeds ausgefahrene sich in langen Kurven schwingende schmale Spur. Es macht Spaß
und ich bin zügig unterwegs. Na gut, der Pfeil meines GPS will weiter Richtung
Süden, aber die Wege werden sich schon noch treffen. Nach geraumer Zeit beträgt
der Abstand der beiden Strecken allerdings schon knapp 2 Kilometer, also
Querbeet zurück zur Track-Piste. Zuviel Risiko tut nicht Not.
Nach
ca. 20 km kommt der vorerst letzte Brunnen. Die Buffs frischmachen und weiter
geht es auf eine unangenehme Rüttelpiste.
Nochmal
eine Erfrischung
Aber
was heißt schon unangenehm. Das hat nicht mehr viel mit Radfahren zu tun.
Einige Kilometer Geröll und große Steine mag ja mal durchgehen - aber 30 bis
40 km?!. Man muss sich voll und ganz auf das Fahren konzentrieren und hat nur
kurze Zeit die Möglichkeit die Landschaft zu betrachten. Wobei da auch nicht
viel zu betrachten ist. Trostlose Steinwüste soweit das Auge reicht.
Tja,
und so bleibt es die nächsten Kilometer.
Als
in der Ferne ein Gebäude zu sehen ist, es muss der Militärposten sein, wird
auch die Strecke besser befahrbar. Der Militärposten beäugt mich, gut
erkennbar, mit dem Fernglas.
Als
ich in die Nähe komme, springen beide, in wilder Zivilkleidung, den Hügel
herunter und begrüßen mich freundlich. Ein kurzer Blick auf den Pass und
unaufgefordert zeichnen sie mir die nächsten Punkte in der Umgebung mit
Kilometerangaben in den Sand.
Arme
Schweine, Dienst mitten im Nichts.
Fahre
noch etwas durch die ersten Sanddünen und kurze Zeit später erreiche ich den
ausgetrockneten Lac Iriki. Dieser ist brettflach und ich sehe seit langer Zeit
mal wieder 20 aufwärts auf meinem Fahrradcomputer.
Im
Süden sehe ich lang aufgereiht eine Karawane. Oder etwa Luftspiegelungen.
Wenige Minuten später habe ich Gewissheit, keine Fata Morgana, tatsächlich
eine Karawane mit mehr als 20 Kamelen. Ein Anblick, den ich nie vergessen werde.
Leider kreuzen sich unsere Wege nicht, es sieht so aus, als wenn sie direkt
Richtung Mhamid unterwegs wären.
Kaum
habe ich mich an die einfache Fahrt gewohnt, sehe ich in der Ferne den Turm
einer Moschee. Und dies bedeutet Wasser. Kaum habe ich etwas beschleunigt, führt
die Piste in ein Kornfeld, das quer zur Pistenführung gepflügt ist.
Vorbei
mit der schnellen Fahrt. Und nicht nur das. Die Fahrzeuge, in deren Spur ich
fahre, haben anscheinend nacheinander gewendet. Und ich stehe im lockeren Sand.
Eine Weiterfahrt ist nicht möglich und mir tut es auch um die Arbeit der
Landwirte leid. Also drehe auch ich und umfahre das Feld großräumig.
Endlich
in Zaoui Sidi Abd el Dingsbums angekommen, stelle ich fest, dass der Brunnen bei
der Moschee kein Wasser mehr hat. Die Dorfbewohner amüsieren sich als der Ungläubige,
klever, wie er nun mal ist, nach einer Armatur sucht, um diese zu öffnen. Auf
der Rückseite befindet sich auch der gesuchte Hahn. Nur der ist schon offen.
Also, definitiv kein Wasser.
Gegenüber
der Moschee ist die einzige kleine Boutique des Ortes und da bekomme ich eine
lauwarme Cola. Ruckzuck bin ich von einigen Kindern umringt, allerdings wird
nicht gebettelt, sondern mit großen Augen neugierig geschaut, was der Fremde so
macht. Ja, was mache ich jetzt, ohne frisches Wasser? Gerade als ich mich
entschließe weiterzufahren um einige Kilometer hinter dem Ort dann mein Zelt
aufzuschlagen, werde ich von einem jungen Mann angesprochen. Es ist, wie sich später
herausstellt, Hroura Mouhamed, der Muezzin. Mir kommt er etwas zu jung dafür
vor, aber was soll es. Immerhin bietet er mir ein Omelett an und als wir in
seiner Lehmhütte ankommen, meint er „Sein Haus wäre auch mein Haus“. In
meinem Zelt kann ich immer noch schlafen und ich bin ja hier um was zu erleben,
also, bedanke ich mich für sein Angebot und nehme es an. Sein Onkel Ibrahim
trinkt mit mir Tee und als er erfährt, dass ich ein „Almani“ bin, höre
ich, wie so oft in Marokko, das Deutschland gut ist.
Ibrahim
und ein müder Almani
Nach
dem Essen und einer Katzenwäsche, Wasser ist hier ein kostbares Gut und ca. ein
Liter reicht auch, gehe ich ein wenig spazieren. Auf dem Rückweg fällt mir
auf, dass seine Lehmhütte nicht nur die Schönste ist, sondern auch die
einzige, die komplett mit einer, wenn auch nur einen Meter hohen, Lehmmauer umzäumt
ist. Ibrahim geht nach Hause und Mouhamed setzt sich auf sein Moped und fährt
zum Abendgebet in die Moschee. Also setze ich mich allein vor das Anwesen und
genieße den tollen Ausblick in die Sahara. Das erste Mal habe ich das Gefühl,
ich bin in Afrika.
„meine“
Lehmhütte
„mein“
Ausblick
„mein“
Bett
Es wird relativ schnell dunkel und ich richte mein Nachtlager. Da steuert ein Landrover auf die Hütte zu. Der Beifahrer fragt nach Mouhamed und nachdem ich ihm antworte, dass dieser in der Moschee ist, fährt er wieder los. Also, immerhin versucht er es. Denn in diesem Moment kommt eine dieser typischen Reaktionen aus dem Bauch heraus. Werner springt über die Mauer und klopft an die Fensterscheibe des Landrovers. Frage den Fahrer, ob er mich morgen nach Mhamid mitnehmen könnte. Er antwortet sofort mit nein, da er gerade von dort kommt und morgen nach Foum-Zguid fährt. Hartnäckig und mit wehleidiger Miene frage ich nochmals nach. Immerhin macht er jetzt den Motor aus. Also, jetzt nicht nachlassen. Er erklärt mir, dass 90 km durch die Wüste hin und wieder zurück und dann noch die Piste nach Foum-Zguid auch mit einem Landrover für den nächsten Tag relativ viel wäre. Frage mich zuerst, ob er nur mehr Geld will, und dann frage ich mich selbst, warum ich plötzlich nicht mehr mit dem Rad fahren will. Ich tendiere gerade wieder zur Radtour, als ein älterer Mann vorbeikommt. Und dieser diskutiert relativ lange mit dem Fahrer. Später bekomme ich die Übersetzung. Der alte Mann will auch am nächsten Tag nach Mhamid. Dort liegt sein Sohn, der vor 2 Tagen von einer Schlange gebissen wurde, im Krankenhaus. Nur der Alte hat kein Geld und bietet daher dem Fahrer einen Monat lang jeden Tag eine Kanne Ziegenmilch. Und aus der gestenreichen Unterhaltung habe ich mitbekommen, dass der Fahrer dem Alten klargemacht hat, das sein Auto Diesel und keine Ziegenmilch braucht. Aber da kann ja der Almani weiterhelfen. Also wird erst einmal Tee gekocht und eine Kerze angezündet, denn inzwischen ist es stockdunkel.
Plastik, auch hier
Um es aber jetzt abzukürzen: Die Unterhaltung hat ungefähr gegen 18.30 h angefangen und nach der dritten oder vierten Kanne Tee haben wir uns gegen 23.00 h geeinigt für 500 DH fährt er mich am nächsten Tag, Start um 06.00 h, nach Mhamid. Zwischenzeitlich waren wir max. 8 Personen und jedem neu Hinzugekommenen wurde natürlich die ganze Geschichte von Anfang an erzählt. Es war köstlich.
07.05.2006, Zaouia
Sidi Abd en Nebi, 28°, wolkenlos
5.30h,
die Welt ist schön
Um
5.50 h kommt Hassan mit dem Landrover und um 6.08 h erfolgt der Start. Das lässt
sich mal gut an und meiner Weiterfahrt von Mhamid nach Zagora am heutigen Tag
steht nichts mehr im Wege.
Da
kommen allerdings sehr schnell berechtigte Zweifel, ob mein Zeitplan einzuhalten
ist, denn nach 2 km (in Worten zwei) biegen wir im rechten Winkel von der Route
nach Norden ab. Auf meine Frage, ob dies der direkte Weg nach Mhamid sei,
bekomme ich die Antwort, dass wir kurz bei dem Vater von Hassan vorbeifahren, da
dieser noch keinen Almani (Deutschen) gesehen hat. Na ja dann, auf zum Vater des
Chauffeurs. Mitten im Nichts stehen zwei Lehmhütten und davor sitzt der Vater
Hassans auf einem Teppich. Dort Platz genommen, wirft mir der ältere Herr
zuerst ein Stück Fladenbrot zu und schenkt mir aus einer Teekanne, deren
Ausguss kurz zuvor von einem Zicklein mit der Zunge gereinigt wurde,
Pfefferminztee ein. Danach wird noch eine Ziege gemolken und ich bekomme
erfrischende Milch gereicht. Ok, warme Ziegenmilch bei diesen Temperaturen ist
nicht wirklich erfrischend aber immerhin nahrhaft. Inzwischen ist auch ein
Omelett zubereitet worden, sodass wir nach einiger Zeit gestärkt weiterfahren können.
Wobei
sich dieses Weiterfahren immer nur auf kürzere Entfernungen bezieht. Will
meinen, auf der folgenden Strecke zur Heiligen Quelle sind wir noch dreimal
eingekehrt. Beim Schwager von Hassan gab es allerdings nur Tee, während es bei
zwei Nomadenfamilien (so richtig mit Zelt und so) wieder das volle Programm der
Begrüßung mit anschließendem Omelettessen gab.
Bei
der zweiten Pause wurde ich etwas unruhig, wollte ich doch ab Mhamid noch mit
dem Rad nach Zagora weiter. Aber ab der dritten Pause fügte ich mich in mein
Schicksal und genoss diesen Tag in vollen Zügen. Obwohl wir uns kaum verständigen
konnten, hatte ich immer das Gefühl mittendrin zu sein. Musste bei jeder Pause
allen erzählen, wo ich in Marokko gestartet war, welche Strecke ich gefahren
bin und wohin die Reise weiter geht. Das Übliche also. Nur habe ich dies halt
noch nie so oft an einem Vormittag erzählt.
Dann
erreichen wir die Heilige Quelle. Mitten in der Wüste eine kleine Oase, die zum
Schutz vor dem Sand, rundum von einer Mauer umgeben ist. In der Nähe des
Eingangs ist die Quelle. Maximal einen Meter im Durchmesser speist sie dieses
Fleckchen Erde mit dem so kostbaren Wasser. Und in diesem kühlen Wasser tummeln
sich Frösche und Fische.
Oasis
Sacrée
In
Sichtweite von Mhamid bogen wir letztmalig von der Piste ab. Diesmal war es
keine Verwandtschaft, sondern Besuch bei einem Freund. Während wir bisher immer
vor dem Zelt bzw. der Lehmhütte Platz nahmen, ging es diesmal in die Lehmhütte.
In der sah ich zum ersten Mal so etwas wie Dekorationsgegenstände, aus Schilf
geflochtene Körbchen etc., an den Wänden.
Und
hier wurde so richtig aufgetischt. Erst gab es frisch gepressten Orangensaft,
danach Fladenbrot mit Orangenmarmelade, dazu einen Tee und dann zur Abwechslung
ein Omelett.
Der
Rest vom Essen
Es war einfach schön mit diesen Leuten in Kontakt zu kommen. Die älteren Männer hatten sehr interessante Gesichtszüge, die eine Ruhe und auch eine gewisse Weisheit ausstrahlten.
Die
Frauen und Mädchen waren alle verschleiert, aber ihre großen dunklen Augen,
die auch noch durch die schwarz geschminkten Augenlider besonders hervorgehoben
waren, hatten etwas Faszinierendes. Bei fast allen Frauen waren die Hände und Füße
rotbraun eingefärbt und Einige hatten die Handinnenflächen bemalt. (Henna oder
tätowiert?)
Deutlich
später als geplant kam ich in Mhamid an. Immerhin musste ich mir keine Gedanken
um die Verpflegung machen, ich war satt. Das Hotel El Ghizlane (150 DH Ü + F)
war schmuddelig. Im Gegensatz dazu war die Bewirtung sehr freundlich. Man kann
nicht alles haben.
Ach ja, während der Fahrt mit dem Landrover habe ich mich mehrmals beglückwünscht, dass ich mich am Vorabend mit Hassan geeinigt hatte. Neben dem toll Erlebten habe ich mir recht lange Schiebepassagen durch die Sanddünen erspart.
08.05.2006,
Mhamid, 26°, wolkenlos
Bei
strahlendem Wetter und mit zwei vom Chef geschenkten Flaschen Sidi Ali, die auch
noch tiefgefroren waren, ging es los Richtung Norden. Einige Sandverwehungen am
Anfang der Strecke verhinderten zunächst eine flotte Fahrt, aber nach 10-15 km
ging es recht zügig Richtung Zagora. Nach dem ersten Anstieg hatte ich zwar die
ersten Palmenhaine erwartet, aber dem war nicht so. Kurz darauf habe ich meinen
vierten Plattfuß. Aus irgendeinem Grund mache ich ein Foto von der Panne. Das hätte
ich mal früher tun sollen. Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wissen konnte, es
war nicht nur der letzte Platten, sondern ich hatte bis Agadir auch sonst keine
Probleme mehr mit dem Rad.
Was
die Landschaft betrifft, kam keine richtige Abwechslung. Es war wie bei Tata so
eine Steinwüste. Und heute kam der Wind ausnahmsweise von Norden. Also, wieder
Gegenwind.
Bin
froh, dass ich den Triathlonlenker habe. Kopf runter und treten.
Recht
schnell wird es heute 38°, aber durch den Wind ist es gut zu ertragen. Kurz vor
Zagora fällt mir am Straßenrand ein relativ neues Hotel auf. Das müsste das
Hotel sein, in dem einige Forumsmitglieder waren, aber ich mag es lieber in den
Ortschaften, also weiter. Bekomme plötzlich Lust auf einen Pool. Und kurz nach
der Ortseinfahrt sind dann auch einige, eher luxuriösere, Hotels rechts und
links der Straße. Die machen mich allerdings alle nicht an, bis plötzlich das
Hotel Reda auftaucht. Spontane Entscheidung: Das ist es.
Die
Empfangshalle lässt schon erahnen, das wird heute nicht billig. Man nennt mir
660 DH für die Übernachtung ohne Frühstück. Ich schlucke und schüttle mit
dem Kopf. Der Direktor wird gerufen und relativ schnell einigen wir uns auf 500
DH mit Frühstück, immer noch teuer für Marokko, aber der Schuppen ist es mir
Wert. Kurz nach dem ich mein schönes Zimmer und das Hotel besichtigt habe gehe
ich zur Rezeption und erweitere auf zwei Nächte. Irgendwie kann ich mich mit
Luxus schnell anfreunden.
Duschen,
Trinken, Klamotten waschen, Schwimmen und eine Stunde später geht es ab in die
Stadt. Das Hotel liegt etwa 500 m vom Gouverneurspalast entfernt und dieser ist,
je nach Sichtweise, am Ende bzw. am Anfang der breiten Hauptstraße von Zagora.
Gleich nach dem Verlassen des Hotels werde ich von einem Mopedfahrer
angesprochen, ob er mich in die Stadt fahren soll. Ich lehne ab. Auch der nächste
Mopedfahrer hält und bietet mir an mich in den Ort zu fahren und ruckzuck sitze
ich mit auf dem Moped. Als er erfährt, woher ich komme, spricht er auf einmal
perfekt Deutsch. Abdullah hat 5 Jahre in Köln gelebt. Er setzt mich ab und erklärt
mir, wo es was Gutes zu Essen gibt. Er lädt mich zu einem Fest, das am Abend
stattfindet, ein und für den nächsten Tag verabreden wir uns, damit er mir die
Palmearie von Zagora zeigen kann. Das Restaurant ist das schon im Reiseführer
erwähnte „Roses de Sable“ (alles frisch, sehr gut, freundliche Bedienung,
und günstig). Abdullah kommt kurz vorbei, ich sage das Fest ab, aber für den
Rundgang am nächsten Tag verspreche ich zu kommen.
Ach ja, da war noch mein Erlebnis in dem oben genannten Restaurant. Obwohl ich schon eine Woche in Marokko bin, gehe ich, ohne lange nachzudenken auf die Toilette. Ohne nachzudenken heißt ohne Papier. Dies wird mir allerdings zu spät bewusst. Denn außer einem kleinen Eimer mit Wasser gibt es da nichts. Und vor der Toilette warten schon die Nächsten. Die einzige Lösung ist also die mit der linken Hand. Ich denke mir: „Augen zu und durch“ als mir auffällt, dass es vor dem WC ziemlich ruhig geworden ist. Also, vorsichtig die Tür auf und mein Hoffen wurde bestätigt. Vor der Toilette waren noch zwei kleine Zeitungsfetzen. „Puh“, noch mal gut gegangen.
09.05.2006,
Zagora, 28°, wolkenlos
- Pause -
Schon
wieder ein Pausentag. Gehe relativ früh in die Stadt. Heute geht’s bewusst in
die Viertel abseits der großen Hauptstraße. Aus den mobilen Garküchen steigt
schon Dampf und Rauch auf und sehr intensive Gerüche kommen mir entgegen. Ein
Marokkaner, den ich nach einem Geschäft für Flickzeug frage, geht mit mir
kreuz und quer durch die Innenstadt und entschuldigt sich mehrmals bei mir, dass
wir erst im fünften Laden fündig wurden. Beim Restaurant von gestern bestelle
ich für später mein Essen und pünktlich kommt Abdullah und wir machen einen
ausgedehnten Spaziergang durch die Palmearie.
Danach
trinken wir etwas zusammen, ich gehe Essen und der Rest ist faul am Pool liegen
und Musik hören.
10.05.2006,
Zagora, 26°, wolkenlos
Nach knapp einem Kilometer komme ich an dem bekannten Schild, das noch an die Zeiten erinnert als die Handelskarawanen durch die Sahara zogen, vorbei. Die Aufschrift lautet „52 Tage bis Timbuktu“. Mache ein Foto und lasse mich fotografieren und verlasse Zagora in entgegengesetzter Richtung.
Der kleine Torbogen ist extra für Radfahrer
Endlich kommt mehr grün. Fahre durch das Draatal Richtung Agdz. Es gibt immer mehr Palmen und der grüne Gürtel rechts und links vom Fluss Draa wird breiter. Den Fluss selbst gibt es aber schon nicht mehr. Nur noch vereinzelt steht etwas Wasser in den Senken. Immer wieder sieht man markante Kasbahruinen auf kleinen Hügeln im Draatal. Jetzt ist es absolut orientalisch.
Einziger
Wehrmuttropfen: Diese Kinder. Nein, an diese Stylo-Kinder kann und will ich mich
nicht gewöhnen. So stark wie hier war es bisher noch nicht. Eine richtige
Plage.
Fast
in jedem dieser etwas schmutzig wirkenden Dörfer kommen die Kinder aus allen
Ecken.
Und
man hört zuerst:
„Bonjour, Monsieur, ca va, ca va bien“
Und dann nur noch: „Monsieur, un Stylo“, „un Dirham“, „un Bonbon“
Immerhin
komme ich dadurch zügig voran, denn an ein Anhalten ist in diesen Orten nicht
zu denken. Erreiche zur Mittagszeit Agdz. Na dann wird heute aber sehr früh ein
Quartier bezogen. Auf dem Hauptplatz von Agdz, dieser Ort lädt eigentlich nicht
zum Verweilen ein, macht mich kein Lokal so richtig an. Halte an einen
Friseurladen und frage nach einer guten Möglichkeit zum Essen.
Er
empfiehlt mir ein Lokal, das ich nun wirklich nicht weiterempfehlen kann. Das
Essen ist zum ersten Mal in Marokko so richtig schlecht. Eine reine
Nahrungsaufnahme. Die Lösung meines Problems kommt aber schon recht bald in
Gestalt einer Bettlerin auf mich zu. Der Chef vom Restaurant will sie
vertreiben, aber ich gebe ihm zu verstehen, dass es mich nicht stört. Sie möchte
Dirham und ich biete ihr die Hälfte meines Essens an.
Die
Bettlerin überlegt nicht lange und hat es ruckzuck aufgegessen. Vom
Restaurantbesitzer bekommt sie sogar noch eine Portion Pommes Frites dazu. Mein
Teller war leer und ich hatte nicht mal ein schlechtes Gewissen.
Fahre
weiter zu dem im Reiseführer empfohlen Campingplatz „Camping Kasbah de la
Palmeraie“. Der Campingplatz selbst ist etwas trostlos und öde, aber ich will
ja auch in einem Zimmer in der alten Kasbah übernachten. Für 150 DH bin ich
dabei. Kein Luxus wie in Zagora, aber hier zählt auch mehr das Ursprüngliche.
Die
Kasbah, sowie die noch bewirtschaftete Palmeraie mit Getreide- und Gemüseanbau,
zwei Lehmbacköfen sowie ein Brunnen, ist komplett von einer Lehmmauer umgeben.
Auch stehen unzählige schattenspendende Palmen auf diesem großen Areal. Neben
der Kasbah ist der frühere Gästetrakt. Dessen Zimmer, die um einen Innenhof
gruppiert sind, können heute von Reisenden genutzt werden. Früher sollen in
der gesamten Kasbah mit den Familienmitgliedern und Bediensteten 70 Menschen
gelebt haben.
Um
es etwas reserviert auszudrücken, es war wunderschön.
Da sind sogar die Stylo-Kinder schnell vergessen. Heute hat Marokko aber mal so richtig gepunktet. Zuerst im Draatal und jetzt hier. Zu allem Überfluss ist der Besitzer sympathisch und das Essen schmeckt ebenfalls sehr gut.
11.05.2006,
Agdz 20°, wolkenlos
Kurz
hinter Agdz geht es gleich bergauf, nur damit hatte ich heute überhaupt nicht
gerechnet. Ich dachte das Draatal geht bis nach Ouarzazate. Obwohl dies meine
erste GPS unterstütze Tour ist, fällt mir auf, dass ich auf der ganzen Reise
(außer in Agadir vor dem Start) noch nicht auf die Landkarte geschaut habe. Der
Vorteil war, dass ich relativ zügig durch die Ortschaften gefahren bin, ohne
mich lange an Schildern aufzuhalten. Aber jetzt merke ich, man sollte vielleicht
doch am Abend mal kurz auf die Landkarte schauen, um die nächste Tagestour
etwas vorbereiteter zu starten.
Also
geht es erst mal über den Tizi-n-Tinififft Pass auf 1.660 m Höhe. Entschädigt
werde ich immerhin durch tolle Blicke in Schluchten und auf diese fantastischen
Gesteinsschichten. Kurz vor dem Pass in einer kleinen Parkbucht kommen doch
gleich drei Jugendliche und wollen mir Datteln verkaufen. Viele potenzielle Käufer
gibt es hier auch nicht. Ich wurde bisher nur von 5 Autos bzw. LKW überholt.
Habe mir den Verkehr schlimmer vorgestellt.
Und
dann kommt eine traumhafte Abfahrt, bei der ich total das Fotografieren
vergesse. Das schöne Hochplateau hätte es wahrlich verdient. Liege immer öfter
über meinem Triathlonlenker und stampfe über die leichten Bodenwellen vor mich
hin. Kurz danach kommt der bisher hässlichste Teil, den ich bisher in Marokko
gesehen habe.
Die
Landschaft selbst kann nichts dazu. Nur ist diese Landschaft über mehrere
Kilometer verschandelt durch Plastiktüten (meist schwarze Einkaufstüten), die
in den niedrigen Büschen hängen und vor sich hinflattern. Die Vorboten der
Stadt Ouarzazate (sprich: Uarzazate) und der Zivilisation. Und der Lärm, den
diese Tüten im Wind (natürlich Gegenwind) machen, ist extrem.
Und
da sehe ich sie auch schon in der Ferne. Sie liegt auf einem ca. 1.100 m hohem Wüstenplateau.
Hier beginnt auch die berühmte „Straße der Kasbahs“. Gleich nach dem ich
in die Stadt fahre, sehe ich ein Hinweisschild nach Skoura und da mein GPS der
gleichen Meinung ist, fahre ich rechts ab. Hab keine Lust auf eine große Stadt.
Also weiter.
Mache
einen kurzen Stopp um einen Tee zu trinken und frage nach der Kasbah von Taurirt,
eine der größten Lehmburgen des Landes. Man erklärt mir, dass diese an der P
32 Richtung Skoura auf der linken Seite wäre und ich sie nicht verfehlen könnte.
Kaufe mir noch 2 Flaschen Sidi Ali (das Mineralwasser Sidi Harazem schmeckt mir
nicht) und fahre weiter. Will nur raus aus diesem Ort, der mir zu laut und zu
groß ist. Daher kommt es wohl auch, dass ich die Kasbah von Taurirt nie zu
sehen bekam. Schade.
Dafür
kommt jetzt ein Streckenabschnitt, der für mich, nicht nur wegen des
Gegenwinds, der wahre Horror war. Kasbahs sah ich auf diesem Teil der „Straße
der Kasbahs“ keine, aber Plastiktüten so weit das Auge reicht. Diese Gegend
baumlos zu nennen, wäre etwas untertrieben, sie ist fast strauchlos. Und an den
wenigen Sträuchern hängen dann diese wunderschönen Plastiktüten. Und vor
allem nimmt der Verkehr sehr stark zu. Rechts sehe ich einen See. Am Abend beim
Blick auf die Karte sehe ich, dass es der Stausee „Barrage el Mansour Eddahbi“
(= der Siegreiche und der Vergoldete) gewesen ist. Naja, statt Gold sah ich nur
Plastik. Aber vielleicht ist ja das Plastik das Gold der Zivilisation.
Nebenbei
kommen auch die ersten Wolken, seit ich in Marokko bin.
Die
nächste Ortschaft muss Skoura sein. Dass ich heute bis hierher komme, hätte
ich am Anstieg zum Pass nicht gedacht. Hier soll es ein nobles Hotel geben, aber
heute wird gespart. Ich steige in einer Herberge (100 DH mit Dinner aber ohne Frühstück)
ab.
Hoffentlich rollen die nicht runter
12.05.2006,
Skoura, 26°, leicht bewölkt
Unmittelbar
vor der Herberge schaue ich auf meine Landkarte. Da hält ein Taxi und lässt
alle seine Gäste aussteigen. Noch keine fünf Minuten später ist mein Rad
eingeladen und für 150 DH, wahrscheinlich viel zu teuer, fahren wir die
restlichen knapp 75 km nach Boumalne-Dades.
Diese
spontanen Entscheidungen häufen sich etwas. Dirigiere den Fahrer direkt auf ein
im Reiseführer empfohlenes Hotel. Gestern sparen, heute prassen.
Das
Hotel „Kasbah Tizzarouine“ liegt auf einem Hügel oberhalb von Boumalne und
hat einen grandiosen Ausblick über das Tal und auf den Hohen Atlas. Daher mache
ich mal eine Ausnahme und übernachte nicht im Ort direkt. Zumal, und dies bestätigt
sich am nächsten Tag, dieser Ort nicht gerade einlädt, um im Ortszentrum zu
verweilen.
Habe
die Auswahl zum gleichen Preis entweder in Zimmern der Kasbah oder in einer Höhle
(Troglodyten lt. Reiseführer) zu übernachten. Entscheide mich für ein höhlenartiges
Zimmer, in der Hoffnung einen schönen Sonnenuntergang direkt von der Höhle aus
zu sehen.
Bin
heute ohne Frühstück gestartet und hier im Hotel gibt es keines mehr. Frage
trotzdem mal beim Personal nach, ob noch eine Kleinigkeit möglich wäre. Ich müsse
mich gedulden, aber sie können es nicht sicher zusagen.
In
der Zwischenzeit bringe ich mein Gepäck und das Rad in die Höhle, als ich zurückkomme,
ist an dem Tisch mit der besten Aussicht gedeckt. Das absolut beste Frühstück
auf meiner bisherigen Reise. Und dazu dieser Ausblick.
Gegen
Mittag fahre ich dann mit kleinem Marschgepäck in Richtung Dadesschlucht. Die
Stadt Boumalne Dades reißt mich nicht vom Hocker, also gleich weiter in das Tal
des Dades. Gleich wird mir klar, hier muss öfter angehalten und fotografiert
werden. Das Draatal vor Agdz war schön jedoch hier wird alles Bisherige überboten.
Rote,
gelbe und ockerfarbene Felsen rechts und links, mittendrin fließt der Dades und
eingerahmt wird der Fluss von weitläufigen Feldern in allen erdenklichen Grüntönen.
Dazu gibt es noch massenhaft Dattelpalmen. Dazwischen stehen immer wieder
verfallene und auch bewohnte Kasbahs. Was für eine Kulisse. Orient pur.
Ich
möchte immer weiter fahren und muss mich mit aller Gewalt stoppen, damit ich
umkehre. Heute war ja nur eine kleine Schnupper- und Erkundungstour angesagt.
Fahre
begeistert zurück, um noch ein wenig Boumalne zu erkunden. Im Hotel setze ich
mich an den Pool um meine Aufzeichnungen auf den aktuellen Stand zu bringen und
genieße auch von hier aus einen tollen Ausblick.
Ich
habe zwar gehofft, dass ich vor meiner Höhle einen schönen Sonnenuntergang
genießen kann, aber das ich dies, bei geöffneter Tür, sogar von meinem Bett
aus erleben kann, war fantastisch. Beim Sonnenuntergang wird die ganze
Landschaft für kurze Zeit in einen von gelb in rosa übergehenden Ton getaucht.
Schööööön.
Musikalisch begleitet wurde dies von Andreas Vollenweider – Caverna Magica.
13.05.2006,
Boumalne, 24°, wolkenlos
Da
ich heute nicht packen muss, kann ich mir den Luxus erlauben, den Tag
musikalisch zu starten. Obwohl ich die Tür wieder öffne, höre ich von City
– Am Fenster.
Später
frühstücke ich alleine auf der Terrasse und könnte stundenlang die Aussicht
genießen.
Dades-Schlucht,
die Zweite. Auch bei der zweiten Fahrt in diese Schlucht bin ich begeistert.
Muss überraschend lange fahren, bis ich an den Punkt gelange, an dem ich
gestern umgekehrt bin. Hätte nicht gedacht das ich schon so weit war.
Komme
wieder an diese Felsformationen, die mich gestern so fasziniert haben. Wie von
Bildhauern modelliert. Eine dieser „Skulpturen“, die ich gestern als einen Mönch
entdeckt habe, erscheint mir heute als Frosch. Ich sehe Hände, Füße, Pilze
und bei längerem Betrachten taucht auch eine Eidechse auf. Ja und plötzlich
ist da sogar ein Elefant zu sehen. Ganz deutlich, ein Elefant.
Bin
mir sicher, wenn ich morgen nochmals vorbei käme, würde ich wieder andere bzw.
neue Sachen entdecken.
Heute,
so scheint es mir, ist etwas mehr Betriebsamkeit wie gestern. Sehe überall
Frauen die mit ihren hoch beladenen Körben am Rande der Straßen gehen. Andere
treiben ihre, ebenfalls hoch beladenen, störrischen Esel an. Dabei tragen sie
Gewänder mit sehr schönen Farbkombinationen. Eigentlich zu schade zum
Arbeiten. Frauen waschen am Ufer des Dades Wäsche und legen diese zum Trocknen
über die Büsche. So entstehen an vielen Stellen zusätzliche
abwechslungsreiche und sehr bunte Bilder.
Nach
einigen Kilometern wird das Tal immer enger. Ich muss kurz vor der Schlucht mit
seiner imposanten Straße sein, die sich in engen Serpentinen nach oben zieht.
Kurz hinter diesem Minipass geht es gleich wieder hinab und gleich danach wird
das Tal auch wieder etwas breiter.
Immer
wieder fasziniert der Kontrast zwischen der kahlen Felsenlandschaft rechts und
links und dem Grün der landwirtschaftlich benutzten Felder. Wenig später
erreicht man wieder eine maximal zehn Meter breite Stelle, an der die Straße
und der Fluss eng und fast auf derselben Höhe nebeneinander verlaufen.
Dahinter,
im wieder breiten Tal, windet sich alsbald die Straße auf die Höhe von knapp
über 2.000 m. Vor einem liegt ein Canon und tief im Tal ein schmales Band von
Feldern. Es muss sehr mühsam sein, die Produkte dieser landwirtschaftlichen
Erzeugnisse abzutransportieren.
Die
nächste Abfahrt spare ich mir und kehre wieder um. Des Öfteren wird die Rückfahrt
unterbrochen, um das eine oder andere Foto zu machen. Dies mit dem Fotografieren
wird nach einer Kurve jäh unterbrochen. Fahre mit knapp 30 Sachen mit dem
Vorderrad in den unter Sand verborgenen, und daher für mich nicht erkennbaren,
Spalt zweier Betonplatten. Mit dem Ergebnis, dass das Vorderrad abrupt abbremst,
aber das Hinterrad es etwas eiliger hat.
Bin
gerade aus den Klickis und will das Rad alleine weiterfahren lassen, da ist der
Spalt zu Ende und es gibt kein Halten mehr. Mache mit der linken Körperseite,
vom Knöchel bis zur Schulter, eine Rutschpartie über den Asphalt. AUTSCH!
Zwei
Frauen, denen ich vorher noch artig ‚Salam’ zugerufen habe, setzen sich
erschrocken auf eine Mauer und nehmen die Hände vors Gesicht. Ich kümmere mich
derweil um mein Rad und zu meinem Erstaunen kann ich außer einigen Lackschäden
und einem abgeknickten Fahrradständer keinen Schaden erkennen. Plötzlich nimmt
eine der Frauen ihren Korb ab, geht zügig über die Straße und springt die Böschung
hinab. Kurz darauf sehe ich ihre Hand und darin hält sie meine Fahrradbrille.
Auch die Brille hat den Sturz gut überstanden. Jetzt kommen aber langsam die
Schmerzen. Verabschiede mich noch schnell von den Frauen und fahre an den Fluss.
Stelle mich mit Schuh ins Wasser zum Kühlen. Der Knöchel sieht am schlimmsten
aus. Wasche und kühle meine geschundenen Körperteile. Jetzt merke ich erst,
dass es die Hüfte am stärksten getroffen hat. Mit dem wassergetränkten
Forums-Buff unter der Radhose fahre ich weiter. Einige Kilometer später
erreiche ich ein Restaurant und bekomme noch vor der Bestellung einen
Wasserschlauch an meinen Tisch auf der Terrasse gebracht. Diese Möglichkeit der
Kühlung nutze ich während der nächsten Stunde ausgiebig.
Sie sind schon aufmerksam diese Marokkaner.
Hier gefällt es mir
Als
ich später im Hotel ankomme, fällt mein etwas unrunder Gang auf. Kaum in der Höhle
angekommen, geht’s unter die Dusche und ständig klingelt das Telefon. Beim
dritten Mal gehe ich dran. Der Hoteldirektor will wissen, wie es mir geht und
kurz darauf bringt jemand Desinfektionsmittel vorbei. Beim Abendessen erkundigt
man sich nach meinem Wohlbefinden und erklärt mir, dass selbstverständlich
alle Getränke aufs Haus gingen.
Zum
Abschluss des Tages gibt es noch etwas Touristisches. Eine Gruppe spielt mit
diversen Trommelinstrumenten. Nach der ersten Pause werde ich angesprochen, ob
ich Lust hätte, mitzuspielen. Nach kurzem Zögern und Kopfschütteln bekomme
ich dann doch Lust. Immerhin habe ich ja durch meine Bongos zu Hause etwas
Vorkenntnis. Das Ganze nehme ich noch mit meinem MP3-Player auf. Werde so
platziert, dass ich im rechten Winkel zu dem Musiker sitze, der den sich
wiederholenden Grundrhythmus spielt. Die ersten Minuten klappen auch ganz gut.
Doch dann steigert sich das Tempo und die Rhythmik. Ich steige mit meiner „Fehlbekleidung“ aus und lausche den nun hypnotisch werdenden Klängen.
14.05.2006,
Boumalne, 24°, wolkenlos
Richtig
gut geschlafen habe ich nicht, da jegliche Bewegung mit Schmerzen verbunden war,
will aber trotzdem heute nach Tinerhir fahren. Sind ja nur knapp 60 km.
Der
Tag fängt gut an, denn beim Bezahlen kommt der Hoteldirektor hinzu und erwähnt,
dass ich ja sturzbedingte Unannehmlichkeiten gehabt hätte. Ob ich statt der 430
DH mit 380 DH (ÜF + D, und das Dinner war zweimal vorzüglich) für die Höhle
einverstanden wäre? War ich.
Heute
ist stürmischer Gegenwind. Bin froh, dass heute nur eine kurze Etappe von rund
60 Kilometern nach Tinerhir bevorsteht. Wieder so eine reine Überführungsetappe.
Die Landschaft ist nicht gerade abwechslungsreich. Einzelne Büsche, viele
Steine und sonst nichts.
Tinerhir
erscheint mir städtischer als Boumalne. Gleich am Ortseingang kommt eine Reihe
größerer Hotels, an denen mir sofort auffällt, dass sie alle, neben vielen
Europäischen auch die amerikanische Flagge gehisst haben. Auch daran sieht man,
wie liberal Marokko ist, im Gegensatz zu vielen anderen arabischen Staaten.
Wobei mein Vergleich auch sehr von den Medien geprägt ist. Und dadurch entsteht
der Eindruck, dass in vielen islamischen Staaten die US-Flagge doch des Öfteren
verbrannt wird.
Da ich mit den empfohlenen Hotels bisher gut gefahren bin, frage ich einen netten Polizisten nach der Hotel „Tomboctou“. Dieses ist in einer alten Lehmkasbah untergebracht. Nach außen hat sie nur wenige Fenster und die Fassade ist unscheinbar, aber innen gibt es einen herrlichen Hof mit Springbrunnen und mosaikverzierten Böden, dazu ein wahres Blumen- und Pflanzenmeer. Im Inneren der Kasbah ist es dunkel, nach dem Motto je weniger Licht desto kühler. Im Hof ist eine Art Berberzelt aufgebaut mit Sofas und unzähligen Kissen. Dieses Zelt dient als Speiseraum. Komme gerade richtig zur Mittagszeit und kann sofort zuschlagen. Die Tajine mit Huhn und Mandeln schmeckt gut, wie fast immer, wenn ich in Marokko etwas Warmes bekommen habe. Anschließend genieße ich vom Dach der Kasbah den tollen Rundumblick über Tinerhir.
15.05.2006, Tinerhir, 26°, wolkenlos
Unerbittlich
weckt der Muezzin um 4.30h die Gläubigen und mich Ungläubigen mit seinem Ruf
vom Minarett. So laut hab ich bisher noch keinen gehört. Ein minutenlanger
monotoner Singsang bis endlich „allahu akbar“ („Allah ist größer“)
kommt. Der hat sich aber Mühe gegeben. Extra für mich so eine lange Sure
ausgesucht. Respekt. Ob er mitbekommen hat, dass ich ihn mit meinem MP3-Player
aufgenommen habe?
Heute
geht es in die Todraschlucht. Wieder mit leichtem Gepäck und deutlich weniger
Schmerzen fahre ich zur nächsten Attraktion. Relativ früh stelle ich fest,
dass ich alles mit der Dades-Schlucht vergleiche. Schlecht für die
Todra-Schlucht. Sie wirkt auf mich, alles in allem, deutlich karger und
unscheinbarer. Nicht, dass es nicht schön wäre, aber die andere Schlucht war
eben absolute Spitzenklasse.
Komme
an die engste Stelle der Schlucht, an der die 300 Meter hohen fast senkrecht
abfallenden Felsenwände nur knapp 10 Meter voneinander entfernt sein sollen.
Hier erlebe ich zum ersten Mal in Marokko, die Stadt Agadir natürlich
ausgenommen, Tourismus. Allerdings sind die Marokkaner deutlich in der Mehrheit.
Fahre
nach dieser Engstelle noch ca. 10 km weiter durch das enge Tal, immer entlang an
einem ausgetrockneten Flussbett, um dann allerdings schnurstracks die Rückfahrt
nach Tinerhir anzutreten.
Am späten Nachmittag geht’s in den Souk von Tinerhir. Dieser ist verwinkelt und voller Menschen. Und das Schöne ist, dass niemand mich wahrnimmt. Keiner spricht mich an oder will mir etwas verkaufen. Gehe zwischen Gemüse- und duftenden Gewürzständen in den Bereich der Fleischer. Hier hängen überall Ziegenköpfe. Dann komme ich in das Viertel der Lederwaren. Am Ausgang des Souks werden die Straßen wieder breiter und es kommt eine Schlosserei nach der anderen, verbunden mit dem dazu gehörigen Lärm und Funkenflug.
16.05.2006,
Tinerhir, 26°, wolkenlos
Verlasse Tinerhir Richtung Osten um nach ca. 20 km die letzte Piste dieser Reise nach Alnif anzusteuern. Laut Jan Cramer vom Rad-Forum ist diese Piste eine einfache Einsteigerpiste. Und er hat Recht. Auf knapp 45 km gibt es eine Wegegabelung. Und diese Strecke bietet 2 Mini-Café und 2 Brunnen. Und wenn man sie von Tinerhir in Richtung Alnif fährt, ist es nach dem ersten Berg eine einzige Abfahrt. Hab mich im Dorf vor dem einzigen Anstieg noch mit Getränken eingedeckt und konnte die schöne Landschaft bei geringer körperlicher Belastung richtig genießen. Nichtsdestotrotz habe ich im ersten Café (Lehmhütte max. 5 x 3 m) eine kurze Rast gemacht. Dort sah ich, dass man auch Plastikmöbel nähen kann. Alle Stühle und die zwei Tische waren mit Draht, wie eine Naht, an den Bruchstellen geflickt worden.
Wer die Wahl hat….
Kurz
darauf erreiche ich mit der Ortschaft Alnif den östlichsten Punkt meiner Reise.
Ab jetzt geht es in westlicher Richtung zurück nach Agadir.
Esse
in Alnif etwas, mache mein Mittagsschläfchen auf den Kissen im Restaurant und
fahre weiter Richtung Agdz. Ca. 15 km hinter Alnif, kurz nach dem Ort Tigurna,
steht mitten in der Steinwüste ein Hotel. Wirklich nicht sehr schön, aber ich
habe einfach keine Lust mehr. Also, hinein. Der Preis von 340 DH für ÜF +
Dinner erscheint mir viel zu hoch, aber der Hotelmanager will nicht mit mir
handeln. Und ich will nur noch duschen. Also bleibe ich.
Immerhin hat das Hotel einen Pool. Diesen werde ich dann auch noch zweimal in der Nacht aufsuchen. Es war sehr warm und es kühlte überhaupt nicht ab.
17.05.2006,
Tigurna, 26°, wolkenlos
Da
ich gut im Plan bin, ist für heute wieder eine kurze Strecke vorgesehen. In
meinem Zimmer war es bis zum Aufstehen 30° und daher starte ich früh.
Die
26°, kombiniert mit dem Fahrtwind, empfinde ich als angenehm kühl. Die Strecke
ist flach bzw. leicht abfallend. Der Verkehr ist gleich Null und irgendwie bin
ich gut drauf. Rufe jedem, den ich sehe, ein lautes „Sabah el Cher“ zu und
radle so vor mich hin. Nach einer Stunde ist mein Schnitt bei 31 km/h und ich
versuche mich etwas zu bremsen. Aber es läuft halt wie von alleine und da ich
eh nur 80 km fahren will, lasse ich es laufen.
Die schnelle Fahrt wird durch einen alten Mann unterbrochen. Er steht mit vollbeladenem Moped am Straßenrand und bittet mich, seinen Hinterreifen, der die Luft verliert, aufzupumpen. Er bedankt sich herzlich und lädt mich zu Tee in sein Haus ein. Nur dies liegt 4 km in entgegengesetzter Richtung. Nein, Danke. Und weiter geht es.
reicht die Luft bis nach Hause?
Nach
knapp 50 km frage ich mich, ob ich auf der Flucht bin. Sogar die Fotos mache ich
während der Fahrt und noch immer zeigt mein Schnitt über 30 km/h an. Hoppla,
da bin ich sehr früh in Nekob.
Jetzt
fällt mir auch der Grund für die schnelle Fahrt auf. Ich bin in Marokko und
habe keinen Gegenwind. Toll.
Fahre
durch ein Tal, das zur Linken von Tafelbergen und zur Rechten von einem
Gebirgszug begrenzt wird. Beide in ungefähr in 1 bis 2 Kilometer Entfernung. Ab
und an ein paar Bäume, das war's.
Einige Kilometer hinter Tazzarine mache ich eine Pause. Schäle mir gerade eine Orange, als auf einem Esel Ibrahim die Straße entlang kommt. Nachdem ich ihm „Salam“ zurufe, wechselt er sofort die Straßenseite und kommt zu mir herüber. Das Übliche „woher?, wohin? und welche Nationalität?“, biete ihm die Hälfte meiner Orange und er nimmt sie bereitwillig an. Nach einigen Minuten verabschiedet er sich, dabei fasst er mit der Hand nach hinten in seinen Korb und gibt mir eine ganze Orange. Wünscht mir noch eine gute Reise und reitet davon. Ja so sind sie, die Marokkaner.
Lege
nun meinen Plan für den Rest des Tages fest. Fahre bis zu der Stelle, an der
diese Straße auf die Straße von Zagora nach Agdz trifft. An dieser
Wegegabelung bin ich schon bei meiner 7. Etappe vorbeigefahren und habe dort
eine Herberge gesehen.
Kurze
Zeit später düse ich durch Nekob und so langsam nimmt mein Tempo ab. Mein
zuvor geänderter Plan für heute steht kurz davor wieder verworfen zu werden.
Spiele mit dem Gedanken heute noch bis nach Agdz zu fahren. Das wären dann
ungefähr 150 km, aber die letzten 30 km bis Agdz und die Unterkunft in der
alten Kasbah sind mir ja bekannt.n Also ist die Ankunftszeit egal, muss ja
nichts mehr suchen.
Je
mehr ich mich dem Draatal nähere, desto windiger und wärmer wird es.
Kurz
nach 12.00 h, und 122 gefahrenen Kilometern, komme ich an der Wegegabelung an.
Vor
der Herberge mit dem Restaurant geht es links in einen Palmengarten, von dort
winkt mir jemand zu, ich solle doch hier hereinkommen. Ich zögere etwas. Das
Restaurant erscheint mir für die Versorgung besser geeignet zu sein, aber der
Wind und der Schatten unter den Palmen reizen mich dann doch stärker. Was heißt
hier ‚Palmengarten’, das ist ein Garten aus Tausendundeinernacht. Welch ein
Kontrast zu der bisher zurückgelegten Strecke. Der Tisch wird nach den Wünschen
der Gäste platziert. Toller Service. Bin in diesem Teil des Gartens ganz
alleine und kann mein Essen barfuss genießen. Das gute Essen, der schöne
Garten und vielleicht auch die gefahrenen Kilometer ergeben zusammen einen
festen und einstündigen Mittagsschlaf. Aber das hab ich mir auch verdient.
Satt
und erholt, aber doch etwas träge, geht es im Draatal weiter nach Agdz. Den
Gedanken, in Agdz mit einem 27er Schnitt anzukommen, gebe ich relativ früh auf.
Kurz vor Agdz mache ich noch mal eine kleine Rast. Die kommt allerdings mehr aus
Gewohnheit zustande. In dem Miniladen habe ich schon einmal 2 Flaschen Hawaii
getrunken. Der Besitzer erkennt mich und fragt schmunzelnd, ob ich im Kreis
fahren würde.
Bekomme noch was Selbst Gebackenes zum Essen und fahre weiter. In der Kasbah angekommen, muss ich nicht einmal vom Rad absteigen. Der Zimmerschlüssel wird mir vor der Tür überreicht und kurze Zeit später bin ich geduscht. Fast ein Gefühl wie zuhause anzukommen. Fast.
18.05.2006, Agdz, 24°, wolkenlos
Fahre
ohne zu frühstücken los und werde dies im Laufe des Tages noch bereuen. Die
Verpflegungslage zwischen Agdz und Tazenakht, meinem heutigen Ziel, ist mehr als
dürftig.
Die
Straße (R 108), die entgegen der Michelinkarte, vollständig asphaltiert ist, führt
in langgezogenen Bögen durch das Tal. Die landwirtschaftlich genutzten Flächen
nehmen zu, es wird anscheinend fruchtbarer und daher etwas grüner. An den
ersten beiden Ortschaften fahre ich vorbei und damit auch an den Brunnen.
Verpasse es, meinen eh schon dürftigen Wasservorrat aufzufrischen. Und dann
kommt es wie es kommen muss. Es kommt nichts mehr.
Bei
Bou-Azzer fahre ich an einer riesigen Minen- oder Steinbruchanlage vorbei und
dort erklärt man mir, dass entlang der Straße ein Café kommen würde.
Entweder haben wir uns missverstanden oder aber das Café war gut getarnt. Ich
habe nichts gesehen und zurück wollte ich auch nicht mehr.
Also
Haushalten mit dem Wasser und auch das Tempo etwas reduzieren. Immerhin zeigt
mir mein GPS einen Wegepunkt von Julius an, mit der Bemerkung „Auberge“.
Diese Herberge liegt an einer Kreuzung bei der die Straße vom Süden (Foum-Zguid)
auf diese Straße trifft.
Zu
meinem Glück ist der Verlauf der Straße bis dorthin eben und die letzten ca.
10 km sind eine herrliche Abfahrt durch eine sehr schöne Schlucht. Mit 70
Sachen rase ich auf die Herberge zu. Den Schwung hätte ich besser mitgenommen,
denn die Herberge war geschlossen. Laut Wegweiser sind es noch 22 km bis
Tazenakht und ich habe noch knapp 0,5 Liter Wasser. Ein Blick auf die Karte
zeigt mir, dass auch noch zwei Berge vor dem Etappenziel sind. So motiviert
fahre ich sehr langsam weiter. Der erste Berg bringt mich auf knapp 1.200 m, der
nächste ist über 1.600 m hoch. Das kann ja heiter werden.
Kurz vor dem Pass Tizi-n-Taguergoust höre ich ein Auto von hinten kommen. Es ist ein blaues Taxi. Kann gerade noch stoppen, um es anzuhalten. Der Fahrer ist etwas verwundert da es nur noch 8 km wären, aber mir ist das egal. In dem Ford Transit ist, neben den bereits vorhandenen Gästen, die da wären 1 Frau, 3 Männer und 14 Ziegen gerade noch Platz für einen Radfahrer.
Eine Ziege fehlt noch
Steige im einfachen Hotel Tahdaoute ( 120 DH Ü + F ) ab. Erkunde den Ort, was recht schnell geht, und probiere in einem Geschäft einen frisch gepressten Obstsaft. Der ist so gut, dass ich mir sofort eine Flasche füllen lasse. Eigentlich sind mir nur die Orangen vertraut, das restliche Obst kann ich nicht richtig zuordnen. Bis ich im Hotel bin, ist die Flasche leer. Also, 2 Flaschen im Zimmer holen und zurück und wieder befüllen lassen. Köstlich.
19.05.2006, Tazenakht, 24°, wolkenlos
Heute
wird richtig gefrühstückt und auch getränketechnisch habe ich aus dem Vortag
gelernt. Lieber etwas mehr Gewicht, obwohl laut Karte einige Ortschaften auf dem
Weg sind. Heute gibt es kaum Kurven. Dafür viele lange Geraden, die das Radeln
nicht sehr abwechslungsreich machen.
Aber
die Landschaft wird wieder etwas grüner und die anfangs kleinen Gerstefelder
werden im Laufe des Tages auch immer großflächiger. Bei einer Pause möchte
ich mich auf einen Stein setzen. Wie immer hebe ich diesen erst an, um zu
schauen, was sich so darunter verbirgt. Und endlich werde ich auf dieser Reise fündig.
Ein Skorpion ist hier zu Hause. Also verschiebe ich meinen Sitzplatz um zwei
Meter.
Die
nächste Rast erfolgt in einem kleinen Ort. Während ich an einer Hauswand
sitzend, im Schatten mein Hawaii trinke, kommen kleine Stylo-Kinder und betteln.
Ein Lokalbesitzer, der extra von der anderen Straßenseite herüberkommt,
schickt sie weg und entschuldigt sich für deren Verhalten.
Gegen
Mittag erreiche ich das Ende eines Hochplateaus und eine schöne Abfahrt bringt
mich schnell nach Taliouine. Bei jeder Kehre wird es deutlich wärmer. Da der
Temperaturunterschied auf der Fahrt ins Tal sehr schnell erfolgt, ist er
unangenehm. Im Tal angekommen sind es plötzlich 44° (oben ca. 32°). Kurz vor
dem Ort sehe ich einen Campingplatz und lese das Wort „Piscine“.
Vollbremsung und Etappenende.
Ein
kurzer Blick auf meine Aufzeichnungen bestätigt meine Entscheidung. Der
Manager, der Kasbah in Agdz, hatte mir einige Unterkünfte auf dem Weg nach
Taroudant empfohlen, darunter auch diesen Campingplatz. Und da es hier auch
Zimmer zu mieten gibt, schaue ich mir gleich eines an. Es ist sauber, also wird
nicht gezeltet. (Camping Toubkal 240 DH Ü + D + F, sehr sauber und sehr
freundlich )
Kurz geduscht und ab in den Pool. Danach werde ich von dem Besitzer in die Anmeldung gebeten. Sein Sohn hat sich beim Sturz vom Fahrrad verletzt. Reinige, desinfiziere und verbinde die Wunde. Ein Zehennagel wird sich wohl demnächst verabschieden. Lasse noch etwas Verbandmaterial für den nächsten Tag da. Meine Übernachtung reduziert sich auf 150 DH inklusive dem Mittagessen. Schukran.
Sehr sauber und gepflegt
Beim Abendessen erzählt mir der Besitzer, dass Taliouine der Mittelpunkt des Safrananbaus ist. Nach dem guten Essen sind die Temperaturen noch bei 38° und kein Wind weit und breit. Daher entschließe ich mich am Pool zu schlafen. Bedingt durch die Wärme aber noch mehr durch den fantastischen Sternenhimmel ist an ein Schlafen nicht zu denken. Beobachte das sich über mir drehende Sternenbild (ok, die Erde dreht sich) und schaue stundenlang den in fast greifbarer Nähe vorbeisausenden Sternschnuppen nach. Eine richtige Sternenflut. Kurz nach 03.00 h in der Nacht muss ich dann eingeschlafen sein. In dieser Zeit ist der große Wagen, der zu Beginn ganz rechts in meinem Blickfeld war, links aus dem Selbigen herausgewandert.
20.05.2006, Taliouine, 24°, wolkenlos
Starte
gegen 08.00 h und auf der Fahrt durch Taliouine fallen mir zwei mächtige
Kasbahs auf.
Es
wird immer grüner und der Baumbestand nimmt rapide zu. Kurz hinter dem Ort
fahre ich seit ewiger Zeit auf einer Straße, die rechts und links, von Bäumen
gezäumt ist.
Nach
einigen Kurven kann ich in Souss-Ebene schauen, die ich dann nach einer kurzen
Abfahrt erreiche. Nun werden auf der Strecke bis nach Agadir keine Berge mehr
kommen. Die ersten Gedanken beschäftigen sich bereits hier mit dem Ende der
Marokkotour. Südlich der Hauptstraße fahre ich auf einer ruhigen Nebenstraße
weiter Richtung Taroudant.
Als ich Taroudant mit seiner imposanten Stadtmauer aus rotem Lehm erblicke, gefällt mir diese Stadt auf Anhieb. Möchte Quartier im Hotel Mini Atlas beziehen, aber die Rezeption ist nicht besetzt. Auch haben fast alle Geschäfte geschlossen. Eine Frau erklärt mir, dass das Freitagsgebet gleich fertig sein müsste, und dann der Mann von der Rezeption kommen würde. Und wirklich knapp 10 Minuten später wird aus Taroudant ein lebhafter Ort. Das Hotel ist günstig (100 DH Ü + F) und sehr sauber.
König Mohammed VI, seine Bilder sieht man überall
Durchstreife
die Stadt und gehe in den überdachten Souk. Obwohl Taroudant über 65.000
Einwohner hat und so nah am Touristenzentrum Agadir liegt, wirkt diese Stadt
sehr ursprünglich. Der ausgedehnte Spaziergang durch die Altstadt wird zu einem
Genuss aller Sinne. Wieder diese vielfältigen Gerüche. Was rieche ich
eigentlich? Weihrauch? Minze? Zitrone? Pfeffer? Egal, einfach genießen.
Die
Garküchen preisen lauthals ihre Tajine und Fischgerichte an. Die Cafés sind
alle gut gefüllt. Anscheinend lassen es sich die Marokkaner am Freitagabend
richtig gut gehen.
Am
Abend lasse auch ich es mir gut gehen. Gehe in das während der Kolonialzeit
gebaute Hotel Taroudannt und tafle vorzüglich.
Den Nachteil einer solch pulsierenden Stadt erlebe ich in der Nacht. Da mein Fenster auf der Straßenseite ist, komme ich erst nach 2.00 h zum Schlafen. Es ist eine sehr lebhafte Straße.
21.05.2006, Taroudant, 24°, wolkenlos
Start
zur letzten Etappe. Und diese starte ich sehr relaxt. Bin nach 7 Kilometern
immer noch in der Nähe vom Hotel, weil ich jenes Tor noch durchfahren und
manche kleine Gassen auch noch unter die Räder bekommen möchte. Auf dem
Hauptplatz gelüstet es mich noch nach einem Tee. Jetzt geht es aber los, es ist
immerhin schon nach 09.00 h. Agadir und damit das Ende meiner Rundreise wartet.
Wollte
eigentlich auf Nebenstraße fahren, da ich aber etwas reichlich getrödelt habe,
fahre ich auf dem Hauptstraße ( N 10 ) nach Agadir. Diese ist fast durchgängig
2 spurig, flach und überraschend wenig befahren. Zu sehen gibt es recht wenig
und daher gibt es auch nur einen kurzen Stopp. Auf den letzten Kilometern gehen
mir die ersten Gedanken über ein Fazit dieser Tour durch den Kopf und ich
ermahne mich konzentriert weiter zufahren. Ohne größere Ereignisse endet meine
Fahrt vor dem Hotel Tivoli in Agadir.
Einer
der Bediensteten kann sich erinnern, dass ich vor 3 Wochen losgefahren bin, und
schüttelt den Kopf, wie schnell die Zeit vergeht. Er trägt mein Rad auf Zimmer
und ich genieße das Eintreffen im Hotelzimmer. Endlich muss ich morgens keine
Taschen mehr packen.
Bin
einen Tag früher als geplant und da ich noch einen Tag als Sicherheit
eingeplant hatte, verbleiben mir noch zwei Tage in Agadir.
Die zwei Tage in Agadir vergingen wie im Flug. An einem Tag bin ich auf die Kasbah von Agadir hinaufgefahren. Hoch ( 205 m ) ist sie nicht und es sind auch nur wenig Überreste, die das Erdbeben überstanden haben, aber immerhin hat kann man die Bucht mit dem breiten Sandstrand übersehen. Und da ich an diesem Tag nicht ausgelastet war, bin ich noch zweimal zur Kasbah hochgesprintet.
Kasbah von Agadir
Blick über die Bucht von Agadir
Fazit:
Meine erste Radreise außerhalb
von Europa. So nah an Europa und doch ist man weit weg.
Auf dieser Reise habe
ich einige Gefühlregungen durchlebt. War manchmal niedergeschlagen, wenn auch
immer nur kurz, und dann wieder überwältigt von dem angenehmen Kontakt mit den
Einwohnern. Hatte noch nie soviel Kontakt zur Bevölkerung wie auf dieser Reise.
Bekam viele Einladungen zum Tee oder Ziegenmilch trinken.
Ist es meine
Menschenkenntnis, mein gutes Bauchgefühl oder hatte ich einfach nur Glück? Ich
weiß es nicht. Aber bei den meisten genügte ein kurzer Blickkontakt, ein Lächeln,
ein fragendes Achselzucken und schon war eine gewisse Vertrauensbasis da. Schwer
zu erklären, aber schön zu erleben, dass trotz Sprachbarriere sich völlig
fremde Menschen so gut verstehen können.
Habe das islamische
Marokko bzw. dessen Bevölkerung als liberales Land kennen gelernt.
Die Essensauswahl war,
außerhalb der größeren Ortschaften, etwas eingeschränkt. Wenn es aber etwas
Warmes gab, war dies fast immer gut und manchmal sogar sehr gut. Ob Salate oder
Gemüse, es war alles frisch und von der Menge mehr als ausreichend. Das Fleisch
ohne jegliches Fett und köstlich gewürzt.
Den mitteleuropäischen
Hygienestandard habe ich nicht erwartet. In den größeren Hotels wurde er
jedoch erreicht. In den einfachen Herbergen hieß mein Motto nur: „Augen zu
und durch“.
Die landschaftlichen Höhepunkte
waren neben der Dades-Schlucht, die erste Piste nach Tisgui-Ida-ou-Ballou, die
auf knapp 80 km sehr viel Abwechslung bot.
Von den Städten haben
mir Taroudannt und Tata (Flair) am besten gefallen.
Immer wieder ein Thema
sind diese bettelnden Kinder. Habe sie hauptsächlich im Draatal als Belästigung
empfunden.
An dieser Stelle möchte
ich noch erwähnen, dass die Vorbereitung dieser Reise durch das Rad-Forum und
hier besonders durch die Hamburger „Marokko-Connection“ (Jan, Tally, Detlef,
Chris und viele mehr) erheblich erleichtert wurde. Danke also an die vielen
Forumsmitglieder, die ihre Erfahrungen nicht für sich behalten, sondern
weitergeben haben.
Die Internetseite von
Jan Cramer ist für Marokkoreisende eine tolle Fundgrube.
Ebenfalls erleichtert wurde diese Tour durch den erstmaligen Einsatz eines GPS-Gerätes, das mir die liebe Anette noch rechtzeitig vor Tourbeginn geschenkt hat. Tja, und bei GPS komme ich nicht umhin, Julius Grossmann aus Heidelberg zu erwähnen. Spontan hat er sich bereit erklärt, mir einen GPS Grundkurs zu geben. Hat mich mit Basismaterial (DVD mit Tracks und Digitalkarten) versorgt und auch meine ungeschickten Fragen geduldig beantwortet. Und damit es nicht bei grauer Theorie blieb, hat Julius auch eine GPS-Tour durch den Odenwald mit mir unternommen. Danke.
01.04.2006 – die GPS-Testrunde mit Julius durch den Odenwald
Jetzt noch etwas Statistik:
Start | Ziel | km | Ø | max. | hm | Temp. | |
1. | Agadir | Mehda | 24 | 17,2 | 54,8 | 1601 | 14-26° |
2. | Mehda | Biwak / Piste | 58,3 | 11,2 | 69,3 | 1356 | 10-28° |
3. | Biwak / Piste | Tata | 111,5 | 16 | 54,5 | 469 | 8-28° |
4. | Tata | Foum-Zguid | 152,2 | 19,6 | 54,8 | 487 | 12-36° |
5. | Foum-Zguid | Zaouia-Sidi-Abd-en-Nebi | 65,6 | 11,4 | 29,5 | 220 | 26-38° |
6. | Mhamid | Zagora | 96,7 | 19,7 | 56 | ? | 26-38° |
7. | Zagora | Agdz | 96,5 | 18 | 53,4 | 402 | 26-34° |
8. | Agdz | Skoura | 116,5 | 19,5 | 72,5 | ? | 20-36° |
9. | Boumalne | Boumalne | 113 | 19,3 | 63,4 | ? | 24-38° |
10. | Boumalne | Tinerhir | 52 | 16,1 | 34,5 | 133 | 24-31° |
11. | Tinerhir | Tinerhir | 48 | 18,1 | 59 | 305 | 24-31° |
12. | Tinerhir | Tigurna | 83,2 | 16,4 | 37,9 | ? | 26-38° |
13. | Tigurna | Agdz | 154 | 25,4 | 57,5 | 295 | 26-44° |
14. | Agdz | Tazenakht | 89 | 20,6 | 70,8 | 445 | 24-36° |
15. | Tazenakht | Taliouine | 80 | 22,6 | 65,5 | 247 | 24-44° |
16. | Taliouine | Taroudant | 109 | 26,2 | ? | 176 | 24-45° |
17. | Taroudant | Agadir | 87 | ? | 35,9 | 82 | 24-32° |
1636,5 |
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