Über
einen langgezogenen, sanften Anstieg geht es bergan. Die Luft ist klar, die Straße
spiegelglatt. Es ist Ende April, überall blüht und duftet es vorzüglich. Soeben hat der Höhenmesser die 1000 m Marke passiert. Quiekend
verschwindet ein kleines Rudel dieser sardischen wilden Schweine in der Maccia
zur Rechten.
Irgendwie
war Sardinien schon länger in unseren Köpfen. Aber es war schwer etwas über
diese "graue Maus" der Mittelmeerinseln in Erfahrung zu bringen.
Uns bekannte Radsportler waren schon dort und berichteten begeistert. In den Internetforen und Suchmaschinen gab es allerdings wenig Interessantes und schon gar nichts Konkretes zu finden.
Die Genna
Silana, die Paßhöhe, ist kurz darauf erreicht. Auf den letzten 25 km haben
mich etwa 5 Fahrzeuge überholt. Nummer 6 ist Meike mit den Kindern, wir machen
zusammen mit Nummer 7, der uns begleitenden Familie aus Kiel, eine kurze
Rast. Der schwache Wind ist kühl, die gesamte Umgebung ist von einem kräftigen
grünen Bewuchs überzogen, kein Mensch weit und breit, nur einige Schafe und Kühe
weiden.
Sardinien ist anders, als die uns bisher bekannten und mit dem Rad bereisten Mittelmeerinseln Kreta, Korsika und Mallorca. Längst nicht so gebirgig wie Korsika, deutlich weniger flach als Mallorca und insgesamt lieblicher und unspektakulärer als der kleine Kontinent Kreta.
Auffällig in erster Linie die hervorragende Infrastruktur. Zählt die Insel zwar zu den am geringsten besiedelten Regionen Italiens, mit einer enorm hohen Arbeitslosigkeit, so überraschen uns immer wieder die mitteleuropäischen Ortsbilder, die großen Supermärkte und eben die unglaublich gut ausgebauten Straßen.
Vor dem Urlaub hatten wir uns aus verschiedenen Quellen (Zeitschriften Tour, Tours; Internet; Reiseführer) informiert. Tenor und Quintessenz war: relativ teuer, viel Wind, wunderbare Strände, Saison nur im Juli/August, sonst fast leer. Diese - zugegebenermassen - etwas überzeichnete Kurzfassung bestätigte sich für uns im wesentlichen. Immerhin waren wir von der Insel so angetan, dass wir ernsthaft überlegen, im Herbst unsere angefangenen Inselumrundung fortzusetzen.
Die oben beschriebene Tour war die einzige ohne Rundtourcharakter. Ich nutzte den anstehenden Quartierwechsel um dieses herrliche Streckenstück entlang des Supramontegebirges zu befahren.
Von den drei Standorten aus machte ich abwechselnd mit Meike im Zweitagesturnus meine Runden. Besonders intensiv waren die Strecken um die Oligastraebene herum, hier liessen sich aufgrund der Streckenvielfalt und der sehr abwechslungsreichen Landschaft phantastische Routen kombinieren, genug, um auch einen mehrtägigen Aufenthalt problemlos auszufüllen.
Problematischer war dieses an der Nordküste bei Palau. Dieser Teil der Gallura und die Costa Smeralda weisen im Vergleich ein insgesamt wenig Alternativen bietendes Straßennetz auf, so dass das Tourenspektrum hier schnell erschöpft und auch wegen des teilweise heftigen Verkehrs nur wenig empfehlenswert war.
Insgesamt bin ich von den drei Standorten aus in den zwei Wochen knapp 750 km mit dem Rennrad gefahren, so dass ich zumindest von der Nord-/Ostküste und dem angrenzenden Hinterland einige nachhaltige Eindrücke gewinnen konnte. Einige dieser Runden möchte ich hier noch vorstellen und ggf. zur Nachahmung anregen.
Startort: St.Lucia (Nähe Siniscola) | |
Der Einroller | Ums Monte Albomassiv |
64 km, 480 HM, höchster Punkt 213 m | 93 km, 1314 HM, höchster Punkt 829 m |
Beschreibung: sanft hügelige, leicht zu fahrende Runde durch einsames Weideland im Inland, zurück an der "Küstenstraße" mit stellenweise dichterem Verkehr. | Beschreibung: anspruchsvollere Runde mit gemäßigten Anstiegen (max. 10%) durch fast alpine Landschaft, zurück entlang der Schnellstraße auf nahezu unbefahrener, an wenigen Stellen schlechter Straße. Weniger als 5 Fahrzeuge auf dem Kernstück. |
Startort: St.Maria Navarrese (nördl. der Oligastraebene) | |
Über der Oligastra | Durchs Gennargentu |
72 km, 1000 HM, höchster Punkt 745 m | 109 km, 1540 HM, höchster Punkt 1024 m |
Beschreibung: zunächst flache, dem Flußtal folgende Strecke, dann anspruchsvoller Anstieg (gut 500 Hm, max. 15%) nach Talana. Panaromastreck3e auf schlechter Straße im Amphitheater oberhalb der Oligastra mit herrlichen Ausblicken, schnelle Abfahrt zurück über die mittelstark befahrene Hauptstraße | Beschreibung: trotz der Höhenmeter problemlos zu fahrende Runde, Kernteil ist eine Art asphaltierter Hirtenpiste mit grandiosen Ausblicken, die zwischen 900 und 1000 m an den Hängen pendelt. Schwieriger Anstieg um Ussassai herum. Sehr eindrucksvoll auch der Anfang zwischen Jerzu und Ulassai |
Alles in allem bietet Sardinien eine absolut lohnenswerte Alternative insbesondere zu Mallorca für ein Radsporttrainingslager. Der Vorteil mit dem Wohnmobil zu reisen und den Standort wechseln zu können ist natürlich sehr angenehm gewesen.
Mehrfach haben wir bedauert, nicht mit den Reiserädern vor Ort zu sein, um die Insel einmal per Rad und Zelt zu erkunden. Aber das kann ja noch kommen, mal sehen, was Lars und Nils dazu sagen...
Literatur:
Michael Müller Verlag, Sardinien, Eberhard Fohrer. Wie auch für Kreta hat der Autor mit viel Liebe und Detailtreue einen hervorragenden Reiseführer geschrieben.
Tour, das Rennradmagazin Ausgabe September 1998: gut recherchierter, absolut lesenswerter Bericht, der sich 100 mit unseren Erfahrungen deckt.
Straßenkarten:
Kümmerly & Frey verlegen mit deutscher Lizenz die angeblich beste Karte (Grande carta stradale d´Italia) des TCI, Sardegna im Maßstab 1 : 200000. Aber auch auf dieser sind definitiv einige auch asphaltierte Straßen (noch?) nicht eingezeichnet.
Das sardische Fremdenverkehrsamt versendet eine insgesamt brauchbare und für die Trikottasche ausreichende Karte von der Insel.
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