Auf den Spuren des Mythos |
von Jan:
Im August nach Frankreich, auf den Spuren der Tour de France -wer von uns gerät da nicht ins Träumen, denkt an seine letzten Paßtouren, Wärme, fahrradfreundlichen Verkehr? Über 20 Pässe hatte ich am Ende des Urlaubes bezwungen, jeder war schön, aber drei Touren blieben besonders im Gedächtnis hängen: die höchste, die mit den meisten Höhenmetern und natürlich die berühmt-berüchtigte Ventouxbefahrung ...
Irgendwie war es nicht mein Tag, Aufgrund der Wetterlage fiel der Entschluss, den Gipfel zunächst im Auto zu erklimmen. Die nördliche Auffahrt führt nun leider über Val d`Isere hinauf, so dass ich im Nachhinein froh war, hier nicht en velo gefahren zu sein: ein Auto nach dem anderen bis auf 1800m. Hinter dem Ort besserte sich der Verkehr. Kehre um Kehre schnaufte unser Wohnmobil hinauf. Erstaunlicherweise hatte der Regen nun nachgelassen und die unverbesserlichen Radler (oder die, die schon länger unterwegs waren?) konnten sich wieder ihrer Regenkluft entledigen. Oben war eine ganze Gruppe, offenbar mit Begleitwagen, in kompletter Regenmontur ging´s auf die Abfahrt. Auf der Passhöhe lagen Altschneeflächen um uns herum. Ich konnte es kaum erwarten, auf der Südseite des Iseran anzukommen, zumal der Himmel mittlerweile fast wolkenlos war. Im Rallyetempo ging´s motorisiert hinab. Auf dem Campingplatz in Lanslebourg angekommen, saß ich eigentlich schon wieder auf dem Rad. Leider zog sich die Auffahrt von Süden dank eines Plateaus ewig hin, so dass ich nach erst nach 20 km und reichlich Gegenwind am Fuß des eigentlichen Aufstieges in Bonneval ankam mittlerweile wieder im Regen... Bergauf ist solch eine Passbezwingung dabei ja eigentlich kein Problem, die Feuchte verdampft nahezu. Die angenehme Kühle ließ mich dann auch die letzten 1000 HM in gut einer Stunde schaffen . Oben angekommen konnte ich meinen Erfolg nicht wirklich genießen, da ich bei 8°C schnell auskühlte. So blieb ich auf der Passhöhe auch keine 5 Minuten stehen und zitterte mich hinab. Die Bremsgummis schmolzen wegen der Feuchtigkeit wie Butter in der Sonne und schneller als 45/50 km/h konnte ich kaum einmal fahren, zumal es einigen Verkehr in den engen Kurven gab. Hinab sind die Teilnehmer der großen Rundfahrten im Vorteil: es gibt keinen Gegenverkehr. Und der Leser ahnt es schon: unten im Tal herrschte wieder eitel Sonnenschein, so dass Meike meine heroischen Geschichten kaum glauben wollte...
Eine RTF in Frankreich? Erneut war ich früh auf Achse. Gleich auf den ersten Kilometern fuhr ein Franzose aus Avignon auf mich auf, der mir allen Ernstes wahrmachen wollte, er würde nur 2000 km Rennrad pro Jahr fahren. Brägel! Dafür stiefelte er den Col de la Cayolle hoch, als sei es der Klingberg. Mit Mühe konnte ich zeitweilig sein Hinterrad halten, immer im Hinterkopf noch zwei Pässe dieses Kalibers fahren zu wollen. Unterwegs versüsste er mir die Qualen mit Stories zum Ventoux. Er habe die Bedoinvariante in 1 ¾ Stunde geschafft. Nun ja, irgendwie kamen wir gemeinsam oben auf über 2300 m an. Auf der Strecke hatten wir einen Deutschen getroffen, mit dem ich lose vereinbart hatte, gemeinsam weiterzufahren. Das erste Teilstück lohnte jedenfalls alle Mühe: selten bin ich einen landschaftlich noch derartig ursprünglichen Paß gefahren. Beeindruckend auch das satte Grün und die Wasserfälle, obwohl schon so südlich, nahe am Mittelmeer. Das weitere Programm stand dem aber kaum nach. Der Col de Champs (2045 m) war menschenleer, vielleicht 5 Autos auf Auf- und Abfahrt. Oben verschlechterte sich das Wetter zusehends und es kam, wie es kommen musste, auf der letzten Auffahrt zum Allos, der harmlosesten der drei Steigungen, war ich auf der Flucht: vor meinem deutschen Begleiter, dessen Pausen mir angesichts der Wetterlage jetzt zu lang waren und dem grollenden Donner der Regenfront, die südwarts in Tal zog. Irgendwie gelang es mir trocken zu bleiben - aber nicht die vielen Autos auf der schmalen Abfahrt zu überholen, so dass ich mehrfach anhalten musste, da die Fahrer mich auch nicht vorbeilassen wollten. Eine empfehlenswerte Strecke, im August 2001 gibt es dort wieder einen solchen Randonnée de Cyclotourisme Alpin... 7 Uhr 20: Meike meint, so aufgeregt habe sie mich
noch nie gesehen. Im Zentrum von Bedoin entdecke ich nahe des Platzes eine Linie: DAS muß sie sein, hiervon hatte der Franzose vor ein paar Tagen gesprochen. Ich nulle meinen Tacho und trete los. Herrlich locker geht es auf den ersten Kilometern dahin. Ich überhole zwei Typen auf ihren Rädern, einer ruft mir was zu, wahrscheinlich: geh´s nicht zu schnell an", ich verstehe es nicht. Dann taucht St. Esteve auf. In der bekannten Haarnadelkurve ahne ich erst mal das Kommende. Wie aus dem Nichts zieht der Berg an. Außer dem ersten Gang ist an nichts mehr zu denken. Ich versuche die Kurbel rund zu treten, klappt ganz gut. Hinter mir ein Keuchen, Meter für Meter schiebt sich einer heran jetzt bloß nicht überholen lassen! Das Schnaufen klingt ab, ich wage einen Schulterblick, keiner mehr da! Das setzt neue Kräfte frei. Irgendwie kommt es mir vor, als gäbe es doch kleine Verschnaufpausen, vielleicht hat´s an manchen Stellen nur 8,5%? Die Drohung aus einer alten Tour-Ausgabe schießt mir in den Sinn: So brutal, d.h. ohne die kleinste Erholungsmöglichkeit, ist keine Passstrasse in den Alpen...". Irgendwie erreiche ich das Chalet-Reynard, hier mündet von rechts die leichteste Variante des Aufstieges, die Straße von Sault. Der Blick auf das Ziel ist erstmals unverborgen: wie eine Schlange zieht sich die Straße auf der Schulter des Berges hinauf in die kahle Steinwüste. Immerhin, die Steigung lässt zunächst deutlich nach, zwei weitere Radler fallen mir zum Opfer. Ob ich jetzt auch so schlecht aussehe? Immerhin bleibt Kraft zum Denken: wo mag das Denkmal kommen. Hier starb 1967 am Ventoux (zugegebenermaßen gedopt) der Tourteilnehmer Tom Simpson. Ich habe ein paar alte Radlsocken im Trikot. Einem guten Brauch folgend, will ich sie dort ablegen ein Fehler. Das Absteigen, das Hinaufstöckeln zum Gedenkstein, das Foto, alles bringt mich aus dem Tritt. Ich brauche den letzten guten Kilometer bis zum Ziel, um halbwegs in den Trott wieder hineinzukommen. Auf den letzten 2 km gilt es nämlich nochmals, mehr als 200 HM zu überwinden. Die ultimative Rampe unmittelbar unterhalb der Wetterstation ist geschafft. Nach 111 Minuten bin ich oben. |
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