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Ein Bericht von Jan:
Es war unsere erste gemeinsame Radreise nach Afrika überhaupt, die zweite gemeinsame Tour nach Marokko. Zwei Jahre zuvor hatte ich Meike den Mund wässrig gemacht, als wir zwei Wochen mit dem Rucksack in öffentlichen Verkehrsmitteln das Land bereisten.
Nachdem einige Jahre ins Land gegangen sind, dieser Bericht 8 Jahre danach geschrieben wird,, wirkt diese Reise umso aufregender in der Erinnerung. Teilweise sintflutartige Regenfälle hatten das ganze Land mit einem grünen Teppich überzogen. Was für uns idyllisch wirkte, hatte dramatische Konsequenzen. In Tata starben Dutzende von Leuten wegen übertretender Wadis, Straßen wurden zerfetzt, Pisten fast unpassierbar.
Eine ganz andere Begebenheit auf dieser Tour sollte die nächsten Jahre prägen: in den letzten Tagen der Reise lernten wir Thomas kennen, der selbst eine Radreise unternehmen wollte. Als dieser Bericht geschrieben wird, hat er uns auf mittlerweile 7 Radreisen in Nordafrika begleitet. Wer hätte das damals ahnen können?
Nach unserer Ankunft am Airport Agadir Al-Massira machten wir uns zunächst auf den Weg in den Anti-Atlas. Bis kurz vor Ait-Baha begeleitete uns ein kleiner Marokkaner auf einem abgewirtschafteten Mountainbike der Verwandte dort besuchen wollte. Wir übernachteten in einem kleinen Hotel für zusammen 5 DM, in einem Zimmer ohne Waschgelegenheit, die Verrenkungen, die Meike im Flur machte, um sich am einzig vorhandenen Waschbecken zu pflegen, lassen uns heute noch lachen. Zum Glück war das Hotel ziemlich leer...
Am nächsten Morgen ging es bei herrlichem Sonnenschein weiter hinein in die Berge. Der Anstieg summiert sich bis Tafraoute auf über 2000 Höhenmeter, so dass wir uns entsprechend quälten. Nach dem Erklimmen zahlreicher Pässe bog die Straße dann nach Osten ab, gen Igherm. Die Straße war damals nur bis Ait Abdallah asphaltiert, aber der Führer von Erika Därr beschrieb die Piste, die ab dort weiterführte.
Durch herrlich einsames Bergland fahrend, erreichten wir Ait Abdallah, wo wir in brüllender Mittagshitze am Marktplatz einige Softdrinks zu uns nahmen. Ab hier führte eine holprige, ausgefahrene Piste in die Berge. Zunächst passierten wir eine in dieser Gegend ungewöhnliche Allee mit blühenden Bäumen. Recht schnell ging es wieder heftiger bergauf und angesichts der drohenden Dunkelheit machten wir uns auf die Suche nach einem Übernachtungsplatz. Leider gab es wegen der steilabfallenden Hänge und der in sie getriebenen Piste kaum sinnvolle Plätze, so dass wir bald nur noch nach einem Platz direkt an der "Straße" Ausschau hielten. Ausgerechnet in dem Moment, kurz vorm Dunkelwerden, als wir uns neben der Piste ausbreiteten, kam ein Trecker vorbei. Der Fahrer war etwas erstaunt, ob des Nachtlagers und wies auf die drohenden nächtlichen Regenfälle hin, wir hielten ihn für verrückt: wolkenloser Himmel...
Die Nacht ohne Zelt, nur im recht dünnen Schlafsack war kühl, ca. 10°C hatte es. Am Morgen: wolkenloser Himmel, eine fantastische Szenerie. Die Piste führte durch eine Landschaft aller Nuancen ockerfarbener Töne, ein karges Bergland, glasklare Luft. Wir inhalierten jeden Meter, Autos sahen wir stundenlang keine. Nachdem die kargen Berge etwas zurücktraten kamen wir in eine grünes Tal in der Tiguermine.
Plötzlich hörten wir den Gesang einer vorbeiziehenden Karawane bestehend aus einigen Frauen und Eseln, die wir später im Gegenlicht am Berghang ausmachen konnten. Überhaupt trafen wir auf den nächsten Kilometern immer wieder Frauen und Kinder, die bei der Feldarbeit waren oder bündelweise Reisig auf dem Rücken trugen und teilweise kilometerweit von irgendwelchen Behausungen entfernt waren. Insbesondere Meike erregte als Radfahrer enormes Interesse: die Frauen befühlen sie, redeten laut und freuten sich riesig. So kamen wir nur schleppend voran, einerseits war die Piste stellenweise ziemlich übel, andererseits zogen wir immer Trauben von Kindern hinterher oder hielten Klönschnack mit den Frauen und Mädchen auf den Feldern.
Die Landschaft wurde mit jedem Meter grandioser. Bizarre Felsformationen wechselten mit wunderschönen, ungewöhnlich grünen Kulturlandschaften, teilweise hatten wir das Gefühl, das Paradies zu befahren. Die schweren Anstiege der ersten beiden Tagen ließen die Tour auf 1500 - 1800 m Höhe zu einer anstrengenden Partie werden. Je weiter wir uns Igherm näherten, desto grauer wurde der Himmel. Die letzten der heutigen knapp 60 Kilometer waren eher uninteressant: entlang der angekündigten Telegrafenleitung konnten wir das heutige Abenteuer beenden und erreichten am Nachmittag Igherm. Am Ortseingang, dem Kreuzungspunkt der Straße nach Taroudant und Tata mit der Piste, die weiter nach Taliouine führte, hatten wir erstmals das Vergnügen einer Polizeikontrolle. Diese Posten zogen sich wie eine Perlenschnur entlang der marokkanisch - algerischen Grenze und waren immer wieder interessant. Neben einem Tee gab es viel auszufüllen: Name des Vaters, der Mutter, woher, wohin, Ausstellungsort des Reisepasses, Domizil, verheiratet usw., der Zettel wurde immer länger. Zum Ausklang des Tages saßen wir in einem Cafe, im Hintergrund plänkelte Popmusik "Julia says", eine bizarre Stimmung.
Wegen der dann einsetzenden Niederschläge mußten wir in einem Hotel Quartier beziehen, der Stadtbummel blieb daher auch minimal.
Der nächste Tag war trocken, aber wolkig, teilweise blies der Wind kurzfristig die Sonne hervor. Er trieb uns dann bergab in einem Höllentempo gen Süden. Mit jedem Kilometer stieg die Temperatur, gingen die Wolken zurück, so daß wir bald die 30° C Marke passierten. Durch eine wunderschöne Wüstenlandschaft fuhren wir weiter, immer neue fotogene Szenerien taten sich auf, Berge rosafarben, Lehmhütten, wir wähnten uns schon mitten in der Sahara... Die Freude wähnte allerdings nicht lange. Die letzten Kilometer nach Tata vor Augen erlebten wir einen Wolkenbruch, wie wir ihn selten oder nie draußen erlebt hatten. Was wir zu diesem Zeitpunkt nicht ahnten war, dass wir dieses Spektakel noch mehrfach auf unserer Tour erleben sollten! Innerhalb weniger Minuten braute sich ein Regenguß zusammen, der blitzartig Wasser in alles eindringen ließ. Hastig kurbelten wir durch die menschenleere Landschaft und entdeckten zum Glück dann einen Unterstand in Form einer kleinen Untertunnelung der Straße für ein kleines Flußbett. Hier blieben wir wenigstens von oben trocken.
In der Ferne sahen wir, wie sich in besagtem Flußbett immer mehr Wasser sammelte und stetig in unsere Richtung strebte. Nach einigen Minuten war der bisher trockene Unterstand bereits 30 cm hoch mit Wasser gefüllt, so daß uns nichts anderes übrigblieb, als panikartig das Weite zu suchen. Sekunden später wären wir von den Wassermassen weggespült worden!
Dann doch lieber naß... Zum Glück beruhigte sich das Wetter wieder und die Wärme ließ unsere Ausrüstung relativ schnell trocknen. In Tata war für uns Dank des Erlebten leicht der Entschluß gefällt, wieder eine (dieses mal recht teure) Hotelübernachtung dem Campingplatz vorzuziehen.
Am nächsten Morgen fand sich keine Hinweise auf die gestrige Hölle. Trocken, wolkenlos, leicht gegenwindig präsentierte sich die Strecke. Nach den gestrigen 120 km sollte es jetzt in zwei Etappen bis Foum Zguid gehen. Erfreulicherweise hatte unsere Befragung ergeben, dass die Strecke "good run" sei, was wir als "lässt sich gut Fahren" interpretierten. Wir erwarteten eine Piste, umso erfreuter waren wir, dass sie sich als "goudronner" (frz. asphaltiert) herausstellte, was man uns ja schon mitgeteilt hatte...
Der raue Asphalt, der mit dem Sonnenstand zunehmende Ostwind und das viele Gepäck (literweise Wasser) liessen uns selten einmal 20 km/h erreichen, trotz der fast völlig ebenen, geraden Strecke. Die Mittagspause verbrachten wir, nach neuerlicher Registration aller Daten ;-) ) in Tissint, auf halber Strecke, einer echten Sehenswürdigkeit. In dieser Oase gab es einen wahren Wasserreichtum, Becken, kleine Wasserfälle, nach der Dürre der Wüstenstrecke eine echte Attraktion waren - sogar das Baden sollte möglich sein.
Wir verzichteten darauf, rasteten ein wenig genervt von den vielen Kindern im Schatten mit einem netten Blick ins Flußtal. Auch füllten wir unsere Wasservorräte auf, die wegen der Hitze und des Windes stark reduziert waren. Die abfallenden leeren PET-Flaschen wurden uns von der Dorfjugend regelrecht aus den Händen gerissen, einige Erwachsene mussten einschreiten um Prügeleien zu verhindern.
Der zweite Teil des Tages war relativ zäh, die Bedingungen hinterließen ihre Spuren, ohne Ruhetag waren wir bisher unterwegs. Ein wenig Kurzweil in der recht monotonen, aber durchaus sehenswerten Landschaft brachten zahlreiche Kamelkadaver abseits der Straße. Den Verlauf der alten Piste konnte man immer hervorragend ausmachen, die neue Trasse verlief nur unwesentlich anders. Auf der Piste hätten wir für die Strecke Tata - Foum Zguid aber sicher die avisierten zwei Tage benötigt.
Stellenweise mussten wir auch auf die alte Strecke ausweichen. Das Ausmaß der nun schon seit Tagen wütenden Regenfälle wurde uns unterwegs wiederum bewusst. Ganze Straßenteile waren von den gewaltigen Wassermassen abtransportiert worden, nicht nur einmal war die Straße einfach weg! Gewundert haben wir uns an diesem Tag über den extrem geringen Verkehr auf der Strecke, beziehungsweise wir dachten, es wäre wohl immer so... Als wir am Abend in Foum Zguid ausgelaugt eintrafen, wurde uns recht bald klar, warum es so war.
In der Mitte des kleinen Ortes trafen wir auf eine riesige Ansammlung von Menschen. Soldaten und Zivilisten gaben ein buntes Bild ab. Das hier die Straße kreuzende Oued überspülte diese auf einer Breite von ca. 50 m mit einer reissenden Strömung. Lediglich ein großer Militär-LKW war in der Lage, dem Wasserdruck stand zu halten und transportierte Menschen und Güter hin- und her. Polizisten wachten über die Szenerie und machten uns schnell deutlich, dass eine Weiterfahrt nicht möglich sei.
Wir bezogen derweil Quartier in einem einfachen, aber sehr reizvollen Hotel im Zentrum. Die Fahrräder übernachteten im Gang vor unserem Zimmer, zum Abend gab es eine Tajine im hoteleigenen kleinen Restaurant. Mehrfach noch an diesem Abend wagten wir uns vor an die Wasserlinie, um den Pegelstand zu prüfen. Morgen, versicherte man uns, morgen sei der Fluß abgeschwollen. Inch allah!
War er dann aber nicht. Obwohl wir entschlossen am Polizeiposten mit aufgetakelten Rädern aufkreuzten, sah es nicht gut für uns aus. Immer noch bis zu kniehoch schoß das Wasser über die Begrenzungssteine der befestigten Furt. Wir waren sicher, zu Fuß queren zu können, aber man machte keine Anstalten uns passieren zu lassen. So machten wir aus der Not eine Tugend und verlebten einen Ruhetag im mondänen Foum Zguid. Anschließend kannten wir sicher jeden Bewohner. Wild entschlossen gingen wir mit dem Plan zu Bett, am nächsten morgen vor den Polizisten vor Ort zu sein....
Der Plan ging auf. Morgens um 6.00 h packten wir die Karrimor-Lowridertaschen auf den Gepäckträger und preschten bei weiterhin eigentlich gleichem Wasserstand mit Sandalen bekleidet durch die Fluten. Ein leichter Linksdrall verhinderte nicht, dass wir unversehrt auf der anderen Seite ankamen und sogleich durchstarteten! Geschafft. Weiter bei herrlichstem Sonnenschein ging die Fahrt nach Norden. Hier wurde auch schnell klar, warum an dieser Stelle solche Wassermassen aufschlugen: etwas nördlich der Stadt ließ der Djebel Bani Gebirgszug nur einen kleinen Durchschnitt frei, durch den sich alles Wasser der Umgebung seinen Weg bahnen musste. Durch idyllische Dörfer in einer sehr sahelartig wirkenden Landschaft ging die Fahrt bis wenige Kilometer vor Tazenakht, wo wie gen Osten abbogen, nach Bou Azzer. Zunächst noch asphaltiert, später dann auf einer recht ausgefahrenen, problemlosen Piste kamen wir voran. Einem marokkanischen Radfahrer flickten wir nebenbei noch seinen Reifen. Gegen späten Nachmittag erreichten wir Agdz, wo wir zwei Jahre zuvor bereits in einem Hotel zwei Tage v3erbracht hatten. Diesesmal zog es uns auf den Campingplatz La Palmeraie, der wärmstens empfohlen wurde. Mitten im Palmenhain, weit ab vom eigentlichen Dorfplatz des Ortes nahe der Kasbah Asslim lag dieses wahre Idyll. Vögelgezwitscher und traumhafte Ruhe herrschten hier, die Betreiber zeigten sich sehr bemüht und freundlich, ein Ort zum Wiederkehren.
Am nächsten Tag ging es weiter nach Norden. Das Wetter war uns immer noch ein wenig suspekt, gestern noch sahen wir einen Regenbogen über der Stadt, an diesem Tag lagen wieder dunkle Wolken über dem Land. Der Weg nach Ouarzazate war recht anspruchsvoll, galt es doch den Tizi-n-Tinififft (1660 m) zumeistern. Oben bot sich ein herrlicher Ausblick über die canyon-artige Umgebung, Der weitere Weg durch eher ödes Brachland war das enttäuschenste Stück auf unserer knapp 1500 km langen Tour. In Ouarzazate machten wir uns sogleich auf den Weg, die Kasbah Taourirt zu besichtigen. Die Gebühr für die Bewachung unserer Fahrräder auf dem ungemein gefährlichen Gelände übertraf beinahe die Eintrittskosten. Insgesamt war der Besuch beeindruckend, insbesondere da einige Teile der alten Anlage noch bewohnt sind. In einer netten alten Karawanserei nahe dem Zentrum kamen wir für diese Nacht unter. Vom Dach des Hotels bot sich ein grandioser Blick über die Dächer der Stadt, bis hin zur schneebedeckten Kette des Hohen Atlas, unserem nächsten Ziel.
Wir hatten uns entschlossen, den Abstecher über Ait Benhaddou und Telout zu fahren, laut Erika Därrs Führer bestand die Möglichkeit über eine Piste in den Hohen Atlas zu gelangen. Nach den ersten Pistenerfahrungen im Anti-Atlas und den entgangenen offroad-Strecken im Süden reizte uns dies sehr. Spätestens am Abzweig zum Ksar Ait Benhaddou etwa 25 km nördlich von Ouarzazate , hätten unsere Alarmglocken schrillen müssen. Bis dahin wand sich der Weg durch karge Landschaft, verschlafene Örtchen neben der Straße erwachten, Hahnengeschrei drang an unsere Ohren, man sah in die Innenhöfe der Häuser von oben hinab. Am Abzweig dann bereits eine riesige, knietiefe Pfütze. Auch hier hatten also Regenmassen sich ergossen. Bereits wenige Kilometer kurz hinter der malerischen Befestigungsanlage schien das Ende der Strecke erreicht: eine ehemalige Brückenverbindung war vollständig weggefetzt, ein 2 Meter tiefer Abhang klaffte vor uns. Der Fluß führte wenig Wasser, musste aber Tage zuvor zu einem reißenden Strom angeschwollen sein. Ab hier war ein weiterkommen mit normalen PKWs unmöglich. Wir luden die Taschen ab - wie noch so oft an diesem Tag - und trugen sie und später das Rad über die unpassierbaren Stellen hinweg. Im weiteren Verlauf zog die Strecke durch hügeliges Terrain, immer in Sichtweite der schroff aufsteigenden ersten Atlasketten. Wiederholt mussten wir nun im Oues furten, teilweise war die Strömung stark und das Wasser stand hüfthoch, die Fahrräder transportierten wir über dem Kopf balancierend hindurch. Später stieg die Piste dann in die Berge hinein und überraschte uns durch ihre schlechte Qualität. Insbesondere einige extrem steile Stücke, die uns nahe ans Absteigen brachten, ließen den Rat des Reiseführers, die Strecke ohne Allradantrieb lieber in Gegenrichtung zu befahren, auf dem losen schotterigen Grund plausibel werden. Zudem kamen erschwerend die Massen an Kindern hinzu, die teilweise am Gepäckträger hängend den Vortrieb bremsten.
Das ganze fand in einer absolut traumhaften, surrealen Szenerie statt. Alle paar Kilometer passierten wir einen neuen Ort aus Lehmbauten, der entweder rechts oder links an den Hängen klebte oder fotogen im Flußbett thronte. Unglücklichweise hatte es beim morgendlichen Filmwechsel ein folgenschweres Malheur gegeben, das dazu führte, dass gerade von diesem traumhaft schönen Abschnitt der Reise keine entsprechenden Fotos vorliegen. Das allergrößte Übel aber war, der aus mehr oder weniger heiterem Himmel einsetzende Regen. Innerhalb weniger Minuten verwandelte er den roten lehmigen Boden in eine schnell abbindende zementartige Masse, die die Fahrräder quasi außer Betrieb setze. Dieser Zement setzte sich zwischen die Schutzbleche, in die Kränze, bespritzte die gesamte Ausrüstung. Voller Panik suchten wir Zuflucht vor dem Regen unter einigen Bäumen und pulten verzweifelt mit Stöckchen und allen greifbaren spitzen Gegenständen die eklige Masse aus den Zwischenräumen. Noch heute zeugen Lehmreste an schwer erreichbaren Stellen von dem damaligen Chaos. Mit dem Ende des Regens dauerte es nicht lange, bis die Sonne den Belag trocknete und wir fluchtartig die Fahrt fortsetzen konnten. Nur nicht noch einmal eine solche Situation.
Nur eine Handvoll Fahrzeuge begegnete uns an diesem Tag. Es blieb uns schleierhaft, ob es diesen (Touristen-) Fahrzeugen gelingen würde, die völlig zerstörten Stellen der Piste zu überwinden. An einer späteren Stelle, wo erneut hüfthoch das Oued die Piste querte, halfen uns einige Berber mit ihren Pferden beim trockenen Gepäcktransport. Stunden und einige Höhenmeter später erreichten wir nach einer letzten Flußbettquerung (ohne Abzusteigen, ein wahres Kunststück...) endlich wieder festen Boden unter den Füßen und des Asphalt kurz vor der Residenz des Paschas El Glaoui. Traumhaft schön auf 1800 m Höhe gelegen, zugleich ergab sich hier die Möglichkeit einer Unterkunft in einer kleinen Auberge . Todmüde sanken wir nach einem Abendessen zu Bett. Tags darauf war es mächtig kalt und wir nutzen die Gelegenheit im frühen Morgenlicht zu einem ausgiebigen Besuch der alten Residenz, die schon sehr stark dem Verfall preisgegeben war. Eine anreisende Touristengruppe bestaunte uns später beim Auftakeln der Räder und gab uns die üblichen guten Ratschläge mit auf den Weg. Wir schraubten uns derweil weiter in die Höhe über nicht enden wollende Auf- und Abs erreichten wir schließlich die Paßhöhe des Tizi-n-Tischka. Wesentlich attraktiver als die südliche Auffahrt hinter Ouarzazate zeigte sich dann die Abfahrt hinunter nach Marrakech, zumindest auf den ersten Kilometern, auf denen sich das mit Schneestangen gesäumte Asphaltband durch eine anziehend karge Landschaft mit verschiedensten Nuancen von Ocker- und Brauntönen wand. In den Kurven fanden sich reichlich Fossilienhändler, die sich an den jeweils gängigen Aussichtspunkten platziert haben. Bergauf können die Rufe und Verfolgungen zur Qual werden, aber bergab haben sie keine Chance...
Nach endlosen Serpentinen und einer herrlichen Abfahrt über 1500 m Höhenmeter, dem Passieren der Schneeschranken bei Taddert und wunderbaren Eindrücken tauchten wir langsam in weniger spektakuläres Gelände. Schon einige Kilometer vor Marrakech begann eine bisher ungeahnte Verkehrsdichte, die wenig Zeit für die Eindrücke jenseits der Strecke ließ. Ein dürrer Palmenhain deutete die fast vollführte Annäherung an die Perle des Südens mit ihren 750.000 Einwohnern an. Unbeeindruckt davon liessen wir uns schnurstracks in die Stadtmitte direkt auf den Djemna el Fna, den berühmt berüchtigten "Platz der Gaukler" (eigentlich: "der Geköpften") spülen. Direkt hier bezogen wir ein Hotel, von dessen Dachterrasse wir einen wunderbaren Blick über den Platz beim Frühstück und wann immer wir wollten hatten.
Die nächsten beiden Tage verbrachten wir im Zauber der Stadt, die auch nach Besuchen aller anderen wichtigen und unwichtigen Orte Marokkos immer noch eine besondere Faszination auf uns ausübt. Stundenlang liessen wir uns treiben, von einer Moschee zu anderen, zu den Koranschulen, Palästen, Gärten und durch die Souks. Eigentlich schade, dass wir eine Radtour machten, sonst wären wir sicher länger geblieben. Abends füllten wir unsere Mägen für Pfennigbeträge an den Ständen der Garküchen, sogen die Gerüche und Geräusche des Orients in uns auf.
Zwei Tage später brachen wir früh wieder auf. Immerhin galt es die gigantische Auffahrt von 400 auf über 2000 m zu bezwingen, eine gut 80 Kilometer lange Auffahrt auf den Tizi-n-Test lag vor uns. Im morgendlichen Dunst passierten wir das beruhigende Schild: Tizi-n-Test ouvert und wanden uns durch lange Waldstrecken, über teilweise enge und schlecht ausgebaute Straßen in den Hohen Atlas zurück. Die Straße war an vielen Stellen von den heftigen Regenfällen der letzten Tage gezeichnet, brüchig, Wasser überspülte viele Kurven, oftmals fehlte der Belag, blieb aber immer passierbar. Nach einer zehrenden Etappe über Asni beschlossen wir in Ouirgane im alten Hotel zum rauchenden Wildschwein die Anstrengungen des Tages am knisternden Kaminfeuer abzustreifen.
In diesem in die Jahre gekommenen Ressort der französischen Kolonialzeit hätten wir beinahe ein paar Probleme bekommen. In völliger Entspannung hatte ich meinen Brustbeutel im Hotelgarten abgelegt, als wir gerade einen vorbeirauschenden Bach betrachteten und überlegten, was wohl passieren möge, wenn es in der Nacht wieder so heftig regnen würde. Unbemerkt kamen zwei Hunde und begannen langsam den Inhalt inklusive der Pässe, einiger 100 DM Geldscheine und aller anderen Unterlagen zu zerfetzen. Zum Glück fiel uns der fehlende Brustbeutel wenig später auf und wir konnten gerade noch das schlimmste verhindern. Noch heute fassen die Grenzbeamten bei der Einreise meinen Pass nur mit zwei spitzen Fingern an, seine Geschichte kennen nur wir...
Der weitere Anstieg auf den Paß zog sich in die Länge, zurückblicken konnten wir am folgenden Tag die riesigen Gletschergebiete des Toubkalmassivs erkennen. Beim Erreichen der Paßhöhe ergab sich ein grandioser Blick in die Soussebene und die ariden Gebietes des Landes. Einer Wetter- und Landschaftsscheide gleich bildet der Atlas hier eine mächtige Abbruchkante, an deren Flanken eine rauschende Abfahrt für die Mühen der letzten beiden Tage belohnte. Zum Abschluß ein Sprint mit der Jugend des Ortes und schon war Oueled Berhil erreicht. Ein lohnender Zwischenstop aber hauptsächlich wegen des zu einem Hotel (Palais Rias Hida) umgebauten ehemaligen Pascha-Palastes von 1860. Prachtvoll renoviert mit einem tropische Pflanzen beherbergenden Garten lockte uns vor allem die Badewanne der Suite, die wir für ca. 60 DM in dieser Nacht unser eigen nennen durften.
Der Rest der Strecke bis Agadir ist schnell erzählt: Durch die geschäftige Soussebene vorbei an riesigen Zitrus- und Orangenplantagen am ersten Tag erreichten wir Taroudant, das wir zu einem stop over besuchten und wo wir nahe dem zentralen Busbahnhof in einem einfachen Hotel unterkamen. Der Bummel durch die Stadt war lohnenswert, die Stadtmauer und die Abgeschiedenheit der Altstadt sehenswert, aber keine Alternative zu Marrakech, als dessen Alternative es für die Pauschaltouristen Agadirs oftmals herhalten muß.
Die Fahrerei auf den letzten Kilometern am letzten Tag begann angesichts der zunehmenden Verkehrdichte und des zunehmenden Westwindes zu nerven. Die Sehnsucht nach dem Wasser und dem Komfort der Touristenstadt Agadir beschleunigten die Kurbelumdrehungen und schon gegen Mittag erreichten wir das Ziel der Reise.
Auf dem nahezu leeren Campingplatz bezogen wir unser letztes Quartier. Eine knappe Woche blieb uns noch, wie wir zu unserer Überraschung feststellten. Genug Zeit, um über einen weiteren Ausflug nach einigen Tagen Erholung nachzudenken.
Zunächst machten wir eine nette Bekanntschaft: Thomas aus Kiel war auch da. Knieprobleme liessen ihn seine Reisepläne über den Haufen werfen, gespannt folgte er unseren Erzählungen, eine ähnliche Route wie wir hatte auch er fahren wollen. Kurz hinter Tafraoute aber war für ihn wegen Schmerzen bereits die Reise zu Ende und nun wartete er auf einen Rückflug eine Woche vor dem eigentlichen Rückreisetermin. Tage- und nächtelang tauschten wir Erfahrungen anderer Reisen aus, es war der Beginn einer langen Freundschaft...
Irgendwie juckte es uns noch in den Beinen, auf das Erlebte einen drauf zu setzen. Tagelang hier im touristischen Agadir mit den anderen, uns weniger interessierenden Reizen abzugammeln, wurde uns schnell zu langweilig. So reifte die Idee mit kleinem Gepäck einen Zwei-Tagestrip nach Tafraoute zu machen. Mit zwei kleinen Taschen und den Rädern unterm Arm standen wir uns die Beine in den Bauch, leider war es aber schwierig vom Busbahnhof aus eine vernünftige Verbindung zu erfahren, so dass dieser Plan nicht aufging.
Tags darauf versuchten wir unser Glück mit einer Fahrt nach Taghazoute, in der Hoffnung einen weniger touristischen Ort, als Agadir vor zu finden. Das taten wir auch, hatten das Zelt schon aufgebaut, aber irgendwie fühlten wir uns unter den hier "hausenden" Menschen nicht wohl. Wir brachen unsere Zelte ab und machten uns ein paar schöne Tage in Agadir zusammen mit Thomas...
Eines war klar, wir würden wieder kommen und zwar bald! Zu sehr hatte dieses einzigartige und mit dem Fahrrad auch als Paar problemlos zu bereisende Land uns in den Bann gezogen...
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