Länderinformationen Jordanien/Ägypten |
Rotes Meer und Totes Meer - Naher Osten per Rad
Wir
hätten unseren Eltern eine größere Freude machen können, als ausgerechnet im
Frühjahr auf den Spuren von Moses, Lawrence von Arabien und denen der Nabatäer
zu wandeln, oder besser gesagt : Urlaub zu machen auf einem Pulverfaß, im Länderdreieck
Ägypten, Israel, Jordanien.
Elat,
eine moderne Hafenstadt, vielen Tauchern ein Unterwasserparadies, sollten wir
nach einer Apokalypse morgens um 3 Uhr erreichen, nach einem Flug, auf dem alles
schief ging:
Verspätung
beim Abflug durch Maschinenschaden, dann Nachtlandeverbot in Elat, Flug ohne Gepäck auf
einen Militärflughafen von dort Busfahrt nach Elat. Ohne unsere Räder und ohne
Pauschalangebot mußten wir auf dem Flughafen übernachten, wo wir unsere Räder
gegen 11 Uhr nach einer schlaflosen Nacht unversehrt in Empfang nehmen konnten.
Nun
konnten wir Elat inspizieren und sollten, verstärkt durch die Müdigkeit, enttäuscht
werden: kein 1001 Nacht, sondern hoch modernes, geschäftiges Treiben, moderne
Hotelanlagen und Shoppingcenter, eine auf Freizeit ausgelegte Stadt. Wir flüchteten,
nachdem wir Geld an einem Automaten getauscht hatten, auf den am Stadtrand
gelegenen Campingplatz und verschliefen diesen Tag und die Nacht, um am nächsten
Morgen fit ins Abenteuer zu starten: an der Küste des Roten Meeres passierten
wir die ägyptische Grenze, um rechtzeitig zu Ostern auf dem Mosesberg sein zu können
und dort den legendären Sonnenaufgang zu erleben.
An
der ägyptischen Grenze verließen wir nicht nur Israel, sondern tauchten von
der westlichen Welt in die arabische Welt mit all ihren Geheimnissen. Die
Zeitmaschine tat uns gut, entsprach doch diese Seite mehr unseren Erwartungen
als das unexotische Israel, bis auf die Tatsache, daß wir noch nicht gefrühstückt
hatten und wir in Taba , dem Grenzort, vergeblich nach einem Bäcker Ausschau
hielten. Es gab zwar eine Bäckerei, aber die Bäcker schliefen in Decken gehüllt
auf dem Boden, von Brot keine Spur ... Mit
knurrendem Magen zehrte die hügelige Küstenstraße schon bald an unseren
Nerven: da war nach 20 km ein Resthouse genau das Richtige: Thomas
bestellte, ohne nach Preisen zu fragen, freigiebig Frühstück für alle. Es gab
Tee, Brot und Marmelade zu einem Preis, von dem wir später noch mehrere Tage fürstlich
leben konnten. Nun ja, das passiert uns halt immer wieder am Anfang unserer
Reisen in der Arabischen Welt. Ägyptisches
Brot ist ganz flach und erinnert eher an Pfannkuchen als an Brot, schmeckt
jedoch warm aus dem Ofen mit Butter und Marmelade köstlich, zumal wir von der
Terrasse aus einen Ausblick auf The Fjord hatten, ein türkisfarbenes, zerklüftetes
Taucherparadies, das auch für uns Landratten sehr eindruckvoll und einladend
wirkte.
Als
wir schluckend die hohe Rechnung beglichen hatten, fiel uns der Gedanke schon
viel leichter, daß dies die letzte Versorgungsmöglichkeit bis Nuweiba gewesen
sein würde.
Insgesamt fuhren wir 75 km auf gutem Asphalt, links das Rote Meer, rechts ragten steil Berge auf, nur eine Überlandleitung war unser ständiger Begleiter. Nach kurzer Zeit wurde diese vegetationslose Einöde herzzerreißend langweilig. Abwechslung boten nur ab und an uns überholende LKW und Baustellen von Hotelanlagen, die sich verstreut an der Küste ausbreiten. Wer die optimistischen Investoren sind, ob Tourismus hier möglich ist und woher die Wasserversorgung kommen soll, weiß wohl keiner so genau, denn Grundwasser gibt es hier nicht und Entsalzungsanlagen sind so teuer, daß ein Hotel sie sich nicht leisten kann. Wir sahen auf der Strecke oftmals LKW mit Wassertanks, die Einzelhäuser versorgen- soll dies auch die Lösung für die Hotelkomplexe sein?
Wir erreichten Nuveiba und fragten uns zum Campingplatz durch. Dabei passierten wir einen Hippiepark, Halbnackte, vernebelt dreinschauende Gestalten hausen in Bambushütten. Hier hielt uns nichts, vielmehr finden wir angeschlossen an ein Hotel einen netten Platz direkt am Strand. Am Marktplatz hatten wir zuvor erstmals richtig einkaufen können, nachdem uns das überteuerte israelische Angebot überrascht hatte. Hier gab es endlich das leckere Fladenbrot, Gemüse und Obst in Hülle und Fülle. 32 Brote wandern in unsere Taschen, erwarten wir doch für die nächsten zwei Tage keine Versorgungsmöglichkeit.
In der Nähe unseres Übernachtungsplatzes standen einige Bungalows, in denen ägyptische Familien wohnen. Mit dem Ruf des Muezzin zusammen strömten plötzlich Dutzende verschleierter Frauen aus und bevölkern den Strand. Zusammen mit der Reflexion der untergehenden Sonne auf den Bergen Saudi-Arabiens auf der gegenüberliegenden Seite des Rotes Meeres entstand eine bizarre Atmosphäre. Wir kochten und planten die nächste Etappe.
Am nächsten Morgen quälten wir uns um 5.30 Uhr aus den Schlafsäcken. Mit Rückenwind flogen wir landeinwärts Richtung St. Catherine. Zunächst ging es mächtig zur Sache, durch eine enge Schlucht mussten wir in das Hochland des Sinai einsteigen. Gott sei Dank fanden wir nach den Strapazen in der glühenden, im Rücken stehenden Sonne ein Café am Wegesrand. Die Landschaft ist ein echtes Schmankerl für den Wüstenfreak: völlige Vegetationslosigkeit, Kargheit in allen Varianten.
Nachdem wir eine weitere Kuppe erreicht hatten, öffnete sich plötzlich die Szenerie und der Blick wurde frei auf eine grandiose Landschaft. Ein großes Plateau mit aus dem Sand ragenden Felsen lud zum Verweilen. Von dem herrlichen Ausblick wissen leider auch Beduinenkinder, die sich auf Touristen spezialisiert haben und sofort auf uns losstürmten. Erfreulicherweise konnten wir die Plagegeister aber auf der anstehenden Abfahrt schnell abschütteln.
Leider begann irgendwann ein wahnsinniger Wind einzusetzen, der zusammen mit der sanften, aber beständigen Steigung unser Fortkommen erschwerte. Jedes Mal, wenn der Tacho über 10 km/h kletterte war die Freude groß. Am Horizont sahen wir immer wieder Beduinenzelte, einmal gesellte sich bei einer Rast ein einsamer Kamelreiter zu uns und genoß unsere Gastfreundschaft. Nach einem abwechslungsreichen Tag fanden wir einen Übernachtungsplatz irgendwo links der Straße, ein wenig sichtgeschützt, was eh egal war, weil die Anzahl der Autos, die vorbeikam, an zwei Händen abzuzählen war. Eigentlich sahen wir nur Touristenbusse und einige Sammeltaxis bei Licht und im Dunkeln schlief das bißchen Verkehr ganz ein.
Was dann folgte war der Tag der Pannen. Schon das Loskommen scheiterte daran, daß Joe einen Platten hatte. Mit klammen Fingern bei Temperaturen kaum über 3° C werkelten wir eine Zeit herum, um dann erneut bei Gegenwind den Aufstieg fortzusetzen. Kilometerweit konnte man die Route im voraus einsehen, wußte man, wo man die nächsten 30 Minuten verbringen würde. In solchen Momenten ist es schön, das Monotone durch Gespräche oder einfach durch das Wissen, die anderen um sich zu haben, durchdringen zu können. Erneut durchbrach ein Plattfuß von Joe den Rhythmus. Man ist irgendwie immer froh, wenn es den anderen trifft, das beladene Rad abzubauen, den Reifen zu demontieren, die Ungewißheit, Loch und Ursache zu finden, die dreckigen Finger... Dennoch waren die Defekte heute willkommene Pausen.
Endlich erreichten wir erschöpft Milga, den Ausgangspunkt unserer Mosesberg-Besteigung. Dort stürmten wir gleich eine Bäckerei, um unsere Brotreserven aufzufrischen. Wieder ergatterten wir Unmengen noch warmen Fladenbrotes. Die Suche nach einem Zeltplatz gestaltete sich problematisch, lediglich auf dem großen Hof einer Schule (Kaserne?) konnten wir uns niederlassen. Dennoch gab es eine Art Platzwart, obwohl wir hier die einzigen Gäste waren. Immerhin konnten wir duschen und unsere verschwitzten Trikots waschen. Wir nutzten die einsetzende Abendstimmung zu einem kurzen Abstecher zum Katharinenkloster. Die meisten Touristengruppen waren schon abgezogen, so daß wir den Ort in einer angenehmen Atmosphäre genießen konnten.
Um 2.30 Uhr klingelte der Wecker: den nächtlichen Aufstieg auf den Gipfel des Mount Sinai mit dem so berühmten Sonnenaufgang wollten wir uns nicht entgehen lassen, war dies doch der Sinn und Zweck unseres bisherigen Reiseabschnitts. Schon zu Beginn des Aufstiegs waren wir über die Menschenmassen, die unterwegs waren, überrascht. Hunderte von Lichtern zogen wie Glühwürmer den Berg hinauf. Zwischendurch mehrere gut sortierte Verpflegungshütten mit überteuerten Preisen. Für Leute mit müden Füßen gab es auch jede Menge Kamelstationen ... Oben angekommen Menschen aller möglichen Nationen. Viele Leute haben dort oben schon übernachtet, so daß wir kaum einen Stehplatz bekamen. Von heiliger Stille keine Spur, Lärm, wie auf einem Fußballplatz. Dann der Sonnenaufgang: ein kollektives "Ah" geht durch die multikulturellen Reihen - ein ganz netter aber unspektakulärer Sonnenaufgang, einzig dieses Zusammengehörigkeitsgefühl der verschiedensten Nationen ist sehr ergreifend. Ob man darauf verzichten kann/sollte sei jedem selbst überlassen. Thomas zumindest war einfach morgens liegen geblieben (nachdem er bereits vor 10 Jahren hier gewesen war...).
Ein wahrer Genuß war der Abstieg . Weit vor den Massen hatten wir uns gelöst, und stiefelten die Nebenstrecke über Steintreppen hinab. Die Morgenstimmung und die andächtige Ruhe wurden von keinem zerstört. Wir genossen den herrlichen Blick auf das Kloster im Tal unter uns. Nach einem Frühstück am Zeltplatz brachen wir erneut auf, um das Kloster innen zu besichtigen. Der weitere Tag verging mit Einkaufen und Kartenspielen im Café.
Am nächsten Morgen nahmen wir den Rückweg auf, über die gleiche Route fuhren wir zurück, nachdem wir den ursprünglichen Plan, über die Blue Mountains und den Wadi Nasib Paß zu fahren, verworfen hatten. Erstaunlich, wie anders eine Strecke immer wieder aussieht, wenn man sie nur in Gegenrichtung befährt... Erneut rasteten wir in dem gleichen Café , wie schon vorgestern. Der Wirt Bob stellte sich als Nubier aus dem Sudan heraus und erzählte ein wenig wehmütig von seiner Heimat, die er wohl aus politischen Gründen verlassen mußte.
In Nuveiba war er ziemlich schwierig, genaueres zur Fährfahrt nach Aquaba herauszubekommen. Wir quartierten uns erst einmal in einem Camp ein und mieteten zur Feier des Tages nach 126 km eine Bambushütte. Ein Fehler, wie sich in der Nacht herausstellen sollte: die Schlupflöcher in der Hüttenwand nutzen Hunderte von Mücken, um uns den Schlaf zu rauben. Mitten in der Nacht entschlossen wir uns dann noch, das Zelt vorm Eingang aufzuschlagen...
Am nächsten Morgen versuchten Jan und Joe den Coloured Canyon per Rad zu bezwingen. In einer wunderschönen Landschaft führte die Strecke in der Schlucht des Wadi Watir bergan. Wir ahnten was im Jahr zuvor die sintflutartigen Regenfälle ausgelöst hatten, Reste der alten Straße lagen wie Pappkartons weggespült am Rande der Schlucht, kein Haus im Tal war erhalten. Die Piste zum Canyon war völlig versandet, nach zwei Kilometern drehten wir bei brütender Hitze bei - schade!
Jordanien wir kommen! Am nächsten Morgen trafen wir früh am Fährschalter ein und wurden wie schon so oft in unserem Reiseleben Opfer der europäischen Naivität. Nachdem wir stundenlang bereist angestanden hatten, erhöhte sich der Preis plötzlich von 82 auf 150 £E. Irgendwie ergatterten wir aber die begehrten Tickets für das Schnellboot, Fahrradmitnahme war entgegen anderer Gerüchte möglich. Allerdings passten die Velos nicht in den Shuttlebus zwischen Anleger und Zollgebäude, so daß wir hinter diesem im Konvoi herfahren durften ;-).
Nach einer kurzen Fahrt über das Rote Meer erreichten wir das asiatische Festland und warteten in einer modernen Abfertigungshalle mit Rauchglas. Eine andere Welt. Es dauerte, bis sich die Halle vollständig geleert hatte, bis wir bemerkten, daß wir uns selbst um die Visa kümmern mussten. Für die wenigen Kilometer ins Zentrum der Stadt benötigten wir fast eine Stunde, da ein brutaler Gegenwind das Fahren erschwerte. Unter diesen Bedingungen graute uns vor den nächsten Tagen, wollten wir doch bis hinauf zum Toten Meer gen Norden weiter reisen. Nach einer kurzen Lagebesprechung in einem Café beschlossen wir, per Bus nach Amman zu reisen und wegen des offenbar beständigen Windes aus nördlichen Richtungen, die Reiseroute kurzerhand umzudrehen.
Gesagt, getan, schon saßen wir in einem Bus, alles Gepäck war verladen, als wir plötzlich alle wieder aussteigen mußten. Ein Plattfuß verhinderte die Abfahrt. Nach längeren Wirrungen war ein Taxi gefunden, ein riesiger 7-sitziger Kombi amerikanischer Bauart, in dessen Bauch und auf dessen Dach unser gesamtes Gepäck verschwunden war... Im Höllentempo ging es in der einsetzenden Dunkelheit über den Desert-Highway nach Norden. Gegen 23.00 Uhr erreichten wir Amman. Was für ein Albtraum, eine orientalische Millionenstadt im Dunkeln ohne jede Orientierung zu erreichen! Zu allem Übel riß bei Thomas auch noch beim Bezwingen eines steilen Hügels (und davon gibt es einige in dieser Stadt, ist sie doch die Stadt der 7 Hügel) die Kette! Nachdem wir das Problem behoben und mit Hilfe einiger Jugendlicher ein gar nicht so übles Hotel zu einem akzeptablem Preis gefunden hatten, sah die Welt schon rosiger aus.
Allah uh akbar! Am nächsten Morgen begrüßte und die freundliche Stadt mit viel Grün. Welch ein Kontrast zum kargen Sinai. Im letzten Winter hatte es in Jerusalem und weiten Teilen Jordaniens sogar ein Schneechaos gegeben! Immer noch überzog ein grüner Flaum viele Flächen. Der Versuch einen Bus hinauf nach Norden zu ergattern, um von Irbid aus das Jordantal zu durchfahren, mißlang. Das anstehende große Hammelfest (Aid el Kebir) verursachte einen riesigen Ansturm auf öffentliche Verkehrsmittel. Wir entschlossen uns daher die fantastische Abfahrt von Amman (1200müNN) zum Toten Meer in Angriff zu nehmen.
Auf der zunächst noch auf- und abwogenden Ausfallsstraße ein Bild für die Götter: wie bei uns zu Weihnachten die Bäume werden hier zum Hammelfest die Schafe angeboten, am Straßenrand, man fährt vorbei und lädt sich eines auf den Pickup! Stets bergab führte uns dann der Weg, zunächst über As Salt, vorbei an dem Schild "Sea Level", weiter hinab, die Temperatur stetig steigend. Plötzlich ein Kontrollposten der jordanischen Armee. Wir werden aus voller Fahrt heraus gewunken, Joe macht eine Vollbremsung und ...Pffffffttt..., die überhitzte Felge beschert ihm zum Leidwesen der in Stellung liegenden, MP-bestückten Soldaten einen Plattfuß, der aufwendig in der Schützenstellung behoben werden muß.
Nach Erreichen des Jordantales haben wir ein Problem: derartig dicht besiedelt ist die Gegend, daß wir keinen vernünftigen Übernachtungsplatz finden können. Wir nutzen unsere Chance, bei einem Haus zu fragen, ob unsere nächtliche Gesellschaft willkommen wäre. Kein Problem, wir errichten die Zelte in unmittelbarer Nähe des großzügigen Anwesens. Dabei leistet die ganze Familie Gesellschaft, Kinder kriechen in die Zelte, man palavert, Kaffee wird gereicht. Meike hat sogar Gelegenheit, im Haus Kontakte mit den Damen zu knüpfen und mußte Fragen zu unserer Kinderlosigkeit und ihrer Arbeit beantworten...
Am nächsten Morgen verließen wir beschenkt mit Gemüse den gastlichen Platz, von überall klangen monotone Gesänge aus den Moscheen und von den Minaretten, das heiligste Fest der Moslems hatte begonnen. Auch wir hatten Grund zum Feiern, denn Joe wurde heute 34. Ein Sesamkringel mit Marmelade ersetzte den Geburtstagskuchen. Zur Feier der Tages konnte er ein Bad im Toten Meer nehmen, das wir heute passierten. Ein irres Gefühl, nicht unterzugehen! Träge spiegelten sich die geschichtsträchtigen Gholan-Höhen im Wasser. Viele jordanische Familien nutzen offenbar den Festtag zu einem Ausflug. In Al Mazra konnten wir in einem Krämerladen noch unsere Vorräte auffrischen, bevor wir einen herrlichen Übernachtungsplatz in einer alten Burgruine weit oberhalb der Straße entdeckten. Der Sonnenuntergang war durch die geringe UV-Einstrahlung eindrucksvoll, die Farben kräftig, ein schönes Naturschauspiel.
Was wir am Vortag bergab gerast waren, stand uns nun wieder bevor. Über 30 Kilometer zog sich der langsame und mühevolle Aufstieg nach Kerak. Hinzu kam, daß nach den relativ kalten Tagen der ersten Urlaubshälfte sich nun langsam der Frühling durchsetzte und es Tag für Tag wärmer wurde. Die ersten Kilometer waren wirklich wahnwitzig steil, später neigte sich die Strecke und wir erreichten am frühen Vormittag die Stadt auf 950 m Höhe mit ihren ausgezeichneten Versorgungsmöglichkeiten. Die Landschaft überraschte uns immer wieder, so grün hatten wir uns die Gegend in den kühnsten Träumen nicht vorgestellt. Steil abfallende Schluchten, sanft geschwungene Bergrücken, alles von einem Gras- und Blütenkleid überzogen, ein irrer Kontrast zu den Erlebnissen auf dem Sinai.
Der Übernachtungsplatz, den wir später ansteuerten, hatte es in sich. Direkt im Wadi al Hasa gelegen, fanden wir einen herrlichen Flecken mit Baumbestand, sowie einer Bademöglichkeit, auch wenn das Wasser wenig vertrauenserweckend aussah, abends bekamen wir noch freundlichen Besucher einer jordanischen Familie, die sich sehr interessiert nach unserer Reise erkundigten.
Joes Pannenserie - die letzten Plattfüße hatten wir schon gar nicht mehr erwähnt - nahm am folgenden Tag seinen Lauf. Die Rückholfeder der Hinterradbremse war irgendwie gebrochen, er mußte sie aushaken. Das war heute zugegebenermaßen kein Problem, denn erneut sammelten wir Höhenmeter. Bis auf 1600 m schraubte sich die Straße zeitweilig hinauf. Es war ein schöner Fahrtag mit wunderbaren Landschaftsimpressionen, Szenen am Straßenrand, freundlichen Menschen, einer netten Rast in der Mittagshitze und einem großartigen Übernachtungsplatz direkt an der Abbruchkante des Steilhanges an, dem der zuletzt passierte Ort Tafilah liegt.
Die Spannung stieg, standen wir doch unmittelbar vor dem Erreichen der Nabatäerstadt Petra, einer der Höhepunkte unserer Tour. Nach einigen Problemen am Morgen, die Zelte wegen des an der Kante heftigen Windes, wie gewohnt zu verstauen. Zunächst folgte ein kultureller Einschub in Shobaq mit der Besichtigung der Kreuzritterburg von 1115 n.C. oberhalb auf einem kegelförmigen Hügel gelegen. Von hier bot sich ein großartiger Blick in die Ferne und der Führer zeigte uns Fotos mit Schnee aus einem der vorherigen Winter!
Der restliche Weg nach Petra war schnell absolviert, auch wenn der Wind sich uns entgegen stemmte. In Musa füllten wir an der Quelle unsere Wasservorräte auf und glitten die letzten Meter hinab in den Ort. Irrtümlicherweise hatten wir einen Campingplatz erwartet. Dieser fand sich trotz längeren Suchens nicht, aber ein geschäftstüchtiger Hotelier hatte seinen Pickup bereits auf den Weg gebracht und verlud uns samt der Räder, um uns in sein Domizil zu verfrachten. Eine gute Entscheidung, wie sich später herausstellte. Hier verbrachten wir drei Nächte in angenehmer Atmosphäre.
Auf der hoch über dem Tal gelegenen Dachterrasse des Hotels konnten wir wunderbar kochen, waschen, die Räder Pflegen oder einfach nur ausspannen. Der folgende Tag stand natürlich ganz im Zeichen der Besichtigung der alten Stätte. Nach einem längeren Fußmarsch erreichte man den Siq, jene imposante, enge Schlucht, die den Einstieg in die Stadt darstellt. Bis hier hatte man auch den Schock über die knapp 50 DM Eintrittsgeld verdaut... Den ganzen Tag stiefelten wir zu Zweit durch die Ruinenstadt, bei brüllender Hitze bergauf und bergab. Neben dem 8000 Menschen fassenden Amphitheater beeindruckte uns vor allem die Anlage als Ganzes und der gute Erhaltungszustand der Gebäude. Alles machte einen ungemein plastischen Eindruck, der Sandstein schimmerte in vielfältigen Farben. Irgendwann ließen jedoch die Hitze und die Menschenmassen die Aufnahmefähigkeit sinken, so daß wir uns zur Rückkehr entschlossen.
Der folgende Tag diente der Erholung. Die Hitze begann unerträglich zu werden, selbst auf dieser Höhe herrschten schon weit über 30° C im Schatten, wir ruhten uns also aus und bereiteten und mental auf die Bezwingung des Desert-Highways vor, wovor uns allerdings schon ein wenig graute angesichts der dort herrschenden Geschwindigkeiten und Verkehrsdichte.
Unsere Erwartungen wurden zunächst enttäuscht: statt bergab in die Wüste ging es erst einmal weitere 500 Höhenmeter hinauf. So verzögerte sich unser Eintreffen an der "Autobahn" leider, die Kühle des Morgens war gewichen und die Bedingungen dort unvorstellbar. Nunmehr 37°C im Schatten, brüllende Uralt-LKWs mit völlig überhitzten Motoren, die das Höllenfeuer weiter entfachten und Baustellen überall. Waghalsige Überholmanöver gaben Thomas den Rest, es gelang ihm einen Pickup als Anhalter zu besteigen. Nach 92 km erreichten wir am Abzweig zum Wadi Rum das Desert-Resthouse, wo auch Thomas bereits eingekehrt war. Erfreulichweise kam uns auf den letzten Kilometern zugute, daß die Straße zweispurig pro Richtung erweitert werden sollte. Daher konnten wir auf der neu geteerten, aber noch nicht freigegebenen anderen Straßenseite unbehelligt unsere Kilometer abspulen. Das hatten wir auf der Herfahrt wegen der Dunkelheit gar nicht bemerkt...
Nach einer längeren Pause mit reichlich Cola fuhren wir noch etwa 10 Kilometer Richtung Rum, um dann im Schutz einer kleinen Bergkette einen Übernachtungsplatz zu suchen, dabei trafen wir noch ein radelndes deutsches Paar, das allerdings das Angebot der gemeinsamen Übernachtung ausschlug.
Als wenn sie gewußt hätten warum: aus heiterem Himmel entstand plötzlich ein Staubsturm, wir krochen hastig in die Zelte und verstärkten die Abspannungen. Genau so schnell, wie der Spuk begonnen hatte, legte er sich wieder. Plötzlich wieder Windstille, klare Sicht, in der Ferne die Lichter eines Ortes.
Am nächsten Morgen passierten wir einen Polizeiposten, die Jungs langweilten sich hier tödlich und luden uns zu einem Tee ein. Wie unterhielten uns eine Zeitlang und studierten unsere Karten. Nach 14 Kilometern erreichten wir Rum. Leider war es viel zu warm, um irgendetwas zu unternehmen. Nachdem wir erkannt hatten, daß unser Plan, über die Piste nach Aquaba zu fahren angesichts der Temperaturen und des sehr sandigen Einstieges verworfen werden mußte, verbachten wir den ganzen Tag in einem Cafe und dösten im Schatten. Thomas und Jan statteten einer Quelle am Hang einen Besuch ab, Meike las in Ruhe ihr Buch zuende. Nach der endgültigen Überprüfung der Entscheidung durch Joe und Meike, die Piste erneut in Augenschein nahmen, brachen wir auf, um einen Übernachtungsplatz zu suchen. Wieder fanden wir einen wunderbaren Platz in den Hügeln nahe der Straße. In dieser Nacht kühlte es kaum ab, um Mitternacht waren noch über 30°C...
Die Abfahrt nach Aquaba am nächsten Morgen war wie ein Fön. Mit jedem Meter, den wir hinabkamen stieg die Temperatur, bis wir schließlich bei über 40°C im Schatten dort ankamen. Der Verkehr war durch die eigene zügige Fahrt relativ erträglich. Die Zeitungen berichteten, daß die für April ungewöhnliche Hitzewelle 12 Grad höhere Temperaturen, als im Durchschnitt bringe. Der Gedanke an einen Sommer mit monatelangen Bedingungen wie heute ließ uns schaudern. Eigentlich konnte man es nur im Hotelzimmer unter dem Ventilator oder unter der Dusche aushalten.
Aquaba ist ein sympathischer Ort. Eine quirlige, untouristische, ursprüngliche Stadt. Neben guten Einkaufsmöglichkeiten (Technik, Musik, Lebensmittelmärkte) gibt es eben auch einen Strand. Dorthin zog es uns bei diesen Temperaturen. Meike war natürlich die Attraktion und trotz Geleitschutzes dreier Männer kamen so manch andere in Versuchung. Immerhin war sie unter Tausenden von Menschen die einzige Frau!
Auf dem Dach unseres Hotels verbrachten einige Aussteigertypen offenbar Monate. Einer von ihnen zeigte uns ein köstliches, günstiges und übervolles Restaurant, wo wir abends für wenig Geld vorzüglich speisen konnten. Den nächsten Tag verbrachten wir mit Spaziergängen durch die quirlige Stadt und einigen Souvenirkäufen.
Am nächsten Morgen mußten wir die Grenze nach Israel passieren. Um kurz nach 8.00 Uhr erreichten wir den Kontrollpunkt, zogen uns vernünftig an, um keine Verzögerungen zu haben. Nach einigen Kilometern Niemandsland kamen wir an die Grenze, wo wieder diese alberne Fragerei nach woher und wohin der Israelis (Hatten Sie Kontakt zu Arabern...) begann. In Eilat fuhren wir zum Campingplatz, wo wir das Verpackungsmaterial der Räder deponiert hatten, um die letzte Nacht dort zu verbringen. Wegen des Passah-Festes ist ganz Israel auf den Beinen, die Läden haben alle geschlossen, Brot gibt es nicht, der Campingplatz platzt aus allen Nähten. In der letzten Nacht lassen wir das Erlebte in Gedanken noch einmal passieren...
Radreisen | Radsport |