von Jan:
Die Sache stand von vornherein offenbar unter keinem guten Stern. War es doch eigentlich geplant eine Wiederholung der letztjährigen "Kult"-Veranstaltung zu schaffen, so sprangen im Verlauf immer mehr der Teilnehmer ab. Zunächst war schon klar, daß Nadja wegen der Arbeit nicht kommen würde, dann sagten Heinzi und Claudia wegen anderslautender Urlaubsplanungen ab, schließlich passte Reinhard aufgrund seines Trainingszustandes und des Wetters und schließlich war auch Wim mit seiner Frau Sabine nicht mit von der Partie - die Wettervorhersage hätte uns sicher auch nicht extra aus dem Norden anreisen lassen.
Aber zum Glück waren wir ja in der Woche zuvor schon in der Rhön unterwegs, so daß wir nur noch eine halbstündige Anfahrt hatten, zumindest theoretisch. Leider hatten wir kurz vor Fulda einen Reifenschaden und mussten mit Hilfe des ADAC und der Firma Viborg unseren Nachmittag verbringen. Wie gesagt: kein guter Stern.
Auf dem Sportgelände standen weniger Autos, als letztes Jahr, als wir gegen 17.00 dort eintrafen. Immerhin fand sich auch Rolf kurze Zeit später ein, immerhin einer, der der Wettervorhersage trotzte. Auch Frank und Andrea hatten sich hergetraut und wohnten in einer Pension in Bad Salzschlirf. Ansonsten wenig bekannte Gesichter. Ein paar Leute aus unseren Hotel auf Mallorca, Pectoralis Major aus Kiel, Andrea von Endspurt und die üblichen Nasen, die man immer trifft. Der Abend blieb trocken, aber kühl.
In der Nacht hatte Dauerregen das Land überzogen und voller Hochachtung beobachtete ich Meike, Andrea, Frank und Rolf bei Ihren Abfahrtsvorbereitungen. 75 Kilometer im Regen - zum Glück hatte ich heute Babysitterdienst... Lars und ich verbrachten einen netten Tag im Wohnmobil, nur unterbrochen von der Nahrungsaufnahme (Currywurst am Bierzelt...) und dem verzweifelten Versuch, ein paar Handtücher zu trocknen. Gelegentlich warf ich die Standheizung an und dachte an die Wahnsinnigen, bis mich ein Anruf von Meike vom K 2 am Schwedenwall in die Realität zurückholte: 115 Km sollten es werden, es liefe sehr gut. Aha! Damit war mir leider aber auch klar, daß Rolf mich am morgigen Tag nicht begleiten würde. Immerhin hatte ich ihm doch mein Steckschutzblech geliehen - so mußten wir uns darum wenigstens nicht beim Marathon streiten...
Irgendwann kamen die Vier wieder, der Regen hatte nachgelassen. Interessiert folgte ich nun den Wettervorhersagen der verschiedenen Bundesländer. Immerhin konnten wir bayrische, hessische und thüringische Sender ausmachen. In der kommenden Nacht sollte es zumindest nicht regnen immerhin!
Nach einem lauten Abend - irgendwelche Hirnis aus Sachsen hatten Ihr Ballermann-Zelt direkt neben uns aufgeschlagen, natürlich so, daß man den Platz im Falle von Dauerregen am nächsten morgen (dann wäre ich nämlich nicht gefahren...) nicht motorisiert verlassen konnte.
In der Tat wachten wir um 5.00 Uhr nicht vom Regenprasseln, sondern vom Wecker auf. Es war trocken, windstill, 6°C, schwarze Wolken am Horizont, betriebsame Hektik um uns herum. Rolf schaute schlaftrunken aus dem Fenster und verschwand dann wieder...
Ich bereitete mich langsam vor, schlürfte ein Müsli, füllte Flaschen, Taschen und Vorratsspeicher. Zwei Regenjacken, zwei Paar Handschuhe, ein Paar Ersatzsocken, soviel Zeit muß sein. Meike war schon am Start und berichtete von nur knapp 700 Teilnehmern. Als ich kurz vor 6.00 Uhr dort ankam, war der Start schon freigegeben und die Fahrer zogen wie ein bunter Tausendfüßler den ersten Hang hinauf. Ich hastete hinterher und versuchte eine Gruppe zu finden, aber irgendwie waren nur Einzelkämpfer unterwegs, zu sehr war das ohnehin kleine Feld schon auseinandergerissen.
In kühnen Träumen hatte ich gehofft, zumindest die Wasserkuppe
trocken überqueren zu können. Sollte mich in den ersten zwei Stunden heftiger
Regen erreichen, so war mich klar, daß ich umdrehen würde. Eine klitschnasse
Abfahrt mit 70 Sachen brauchte ich wirklich nicht.
Der Regengott aber war bei mir. Nach einem kurzen Stopp bei Rhönsprudel befand
ich mich schon auf der Hochrhönringstraße und schraubte mich den knackigen
Anstieg auf über 900 m.u.N.N. hinauf. Die ersten Stunden den Puls nur selten
über 160 zu treiben ist ein alter Grundsatz, mit dem ich gute Erfahrungen
gemacht habe, dennoch merkte ich, nach dem Bezwingen der ersten Hürde (oben
waren noch 3°C...), daß meine Kraft heute endlich sein würde. Zollte der
Körper dem dritten Marathon in 14 Tagen Tribut?! Immerhin blieb es trocken,
nach kurzem Stopp am Schwedenwall donnerte ich die Abfahrt hinab, auf der im
letzten Jahr der Tacho mehr als 80 km/h zeigte.
Anschließend folgt ein recht langes Stück im Tal, auf dem man theoretisch gut Windschattenfahren kann, heute kam der Wind von hinten, ich ahnte schon schlimmes, denn die letzten 100 km schienen bei dieser Konstellation gegen den mit bis zu 6 Stärken heftig blasenden Wind zu führen. Auch K 3 erreichte ich problemlos, ich erinnerte vom letzten Jahr, daß hierauf ein langer Anstieg folgte und in der Tat drehte man in den Wind und wir schlichen den Berg im Schritttempo hinauf. Ein drittes Kettenblatt wäre hier nützlich gewesen, teilweise schoben Leute am Ende der Steigung.
Immerhin war die legendäre 18%ige Rampe aus dem Sortiment gefallen und durch ein langes, frisch asphaltiertes Stück mit immerhin auch bis zu 15% Steigung ersetzt worden. Am Ende der Qualen lockte die Warmverpflegung, 140 km trocken geschafft. Welcher Regen?! Denkste, mit Eintreffen in Kaltensundheim fing es an zu schütten, ich konnte den Nudelteller gerade noch trocken ins Zelt retten, dann brach das Inferno los. Immerhin Ruhe zum Essen, zu früh losfahren lohnte nicht.
Nach einer Viertelstunde hatte es sich beruhigt, es stand aber noch eine Handbreit Wasser auf der Straße, auf der folgenden Abfahrt wollte mein Hinterrad auch einmal überholen. Ich war, wie im Prinzip den ganzen Tag bisher, alleine unterwegs. Das war wegen der Nässe auch gut so, blieb ich wenigstens trocken. Aber ohne Regen konnte es ja nicht enden, im Gegenteil in einem infernalischen Hagelsturm sah ich mich gezwungen, 10 Minuten hinter einem Baum Schutz suchend zu beobachten, wie einige Schmerzfreie mich überholten.
Auf den nächsten 50 km gelang es mir irgendwie, alles trocken zu bekommen, die Sonne brach durch, die Straße dampfte, es gab wunderbare Eindrücke, landschaftlich ist der Thüringer Teil der Strecke ja mit am schönsten. Der Getränkeverpflegungspunkt, offenbar nach der Wärme im letzten Jahr mit gutem Willen eingeschoben, erfüllte seinen Zweck heuer nicht wirklich, war aber willkommen. An solchen Stellen kann man immer wieder versuchen, eine Gruppe zu finden.
Das Ende ist schnell erzählt: bei Temperaturen um 15°C und Sonne flogen die letzten km dahin, ab K 6 konnte ich sogar eine gute halbe Stunde mich im Windschattenfahren mit einer guten Gruppe ablösen. Nach 8 Stunden und 42 Minuten erreichte ich das Ziel, war relativ gut drauf und stellte fest, daß manch einer noch unterwegs sein müsste.
Mit 3300 Höhenmetern und aufgrund der zeitweilig widrigen Wetterbedingungen war dieser Marathon eine echte Herausforderung. Dennoch: selbst unter schlechten Vorzeichen macht es Spaß in Bimbach zu fahren!
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