Länderinformation Tunesien | Tourenchronik Tunesien |
Streckenverlauf:
Geschichten am Rande:
1978, 1979, 1981 mit meinen Eltern, 1993 per Rucksack
mit Meike und dreimal per Rad (1992 mit Ingo, 1996 mit Joe und 1997 bereits mit
Thomas) war ich in Tunesien gewesen. Eigentlich sollte es dieses Jahr eine
Winterreise mit Thomas (Heinzi) werden, geplant und fest ausgearbeitet waren die
Dolomiten, Start am 29.1. Aber es kam dann doch anders, als erwartet:
Mit einem Entschuldigungsschreiben wollte er sich -
zugegebenermaßen aus nachvollziehbaren Gründen, noch im letzten Moment von
einer gemeinsamen Reise zurückziehen. Aber ich hatte ihm keine Chance gelassen,
denn - zufällig- noch bevor diese Karte bei mir eintraf, hatte ich am Abend des
17.01.1998 in unserem Reisebüro angerufen und abgeklärt, ob der als
Alternative geplante Tunesienflug bereits als Last-Minute-Angebot billiger
geworden wäre. In der Tat war der Preis reduziert worden, und als ich Heinzi
abends im Dienst erreichte, muß ich ihn wohl ein wenig überrumpelt haben, denn
relativ widerstandslos ließ er sich zum Buchen der Reise nach Tunesien überreden.
Also ging es doch los:
28.01.1998
6.00 Uhr aufstehen, nach einer gut geschlafenen Nacht
wache ich auf, der erste Blick aus dem Fenster: Regen! Scheiße! In all den
Jahren, die ich per Rad verreise gab es das noch nie. Ein hastiges Frühstück,
bestehend aus Joghurt, immerhin macht es das ganze erfreulicher, daß Meike mich
hinbringen will. Im Nieselregen in voller Gore-Hülle nach Fuhlsbüttel, Heinzi
ist schon da, von Claudette gebracht.
Der Abschied wird lang, irgendwie haben wir dieses
mal
sehr viel Zeit und sind relativ entspannt. naja, alte Hasen... Zunächst geht es
nach Stuttgart, der Umsteigestop macht den Eindruck, wie ein Dritte Welt
Flughafen, altes Gestühl, unmodern. Egal. Weiter nach 90 Minuten Pause, dann
endlich 13.45 Uhr AFRIKA. Milde Frühlingssonne, aber kühle Luft, kaum 14 °C.
Kleine Schäden an Heinzis Rad: der Flaschenhalter unten ist zerfetzt, der
Vorderradträger verbogen.
Zoll unproblematisch, die marque ist TREK und SPRITE,
was sonst. Aufladen und ab nach Houmt Souk. Hier am Taxenplatz eigenartige
Leere, kaum Taxis, viel Hektik. Wann der Ramadan denn zu Ende sei? Keiner weiß
es, vielleicht schon morgen, spätestens übermorgen. Ein Typ meint, die
Situation sei exzeptionell, aber er würde sich um uns kümmern. Irgendwann fährt
ein völlig verbeulter 504 vor, mit privatem Fahrer, will 40 TD. Wir handeln
schnell auf 30, regulärer Preis wäre (wenn man hin- und zurück rechnet)
sicher ähnlich. Ehe wir uns versehen sitzen aber noch zwei Kutten mit im Wagen.
Afrika! Nach Tankstopp die Bitte bei Polizeikontrollen zu behaupten, dieses sei
ein Freundschaftsdienst. Nach 90 Minuten und solidem 80er Schnitt dann Medenine
im Sonnenuntergang.
Immer wieder sympathisch diese Stadt. Hier zunächst
Einkauf, Tankstop, Telefonat. Auf der P1 nach Norden, 6 km bis Metameur, der
Brotkauf, es gibt nur noch spärliche Reste, bringt die ersten frechen
tunesischen Kinder, Erinnerungen an Marokko werden wach, plötzlich der Knall,
Sonnenuntergang, Fasten für heute vorbei. Wir glauben’s kaum, prüfen die
Zeit per Satellit. Stimmt haargenau! Der Versuch, noch ein paar Apfelsinen zu
erstehen mißlingt fast, soviel Hunger scheint der Verkäufer zu haben.
Gemeinsam mit ein paar Tunesiern trinken
wir etwas im Nachbargeschäft.
In Metameur ist es schon dunkel, der Hof des
Ghorfahotels leer. Wieder geschlossen wegen Reparation?! Wir kochen ein
Spaghettigericht, Heinzi hat seinen Anteil vergessen. Irgendwann kommt eine
Gestalt auf den Hof, die wir sofort erkennen: Hachim, der Besitzer! Der Begrüßungsruf wird zunächst
kühl erwidert, bis er uns erkennt. Begrüßungsküßchen, das Hotel ist
wirklich zu, aber wir könnten im
24 km, 1
- 16° C
29.01.1998
6.30 Uhr aufstehen, bedeckt. Mein 31. Geburtstag.
Habe noch nie nicht zu hause gefeiert, komisches Gefühl, ein Tag wie jeder
andere. Die Duschen sind leider zu, wir frühstücken bei Hachims Cousin (?), es
gibt Kaffee, Tee, frischen O-Saft, Margarine, leckeres Brot, Feigenmarmelade und
- von Heinzi servierte Yes-Torties mit Kerzen darin.
Auf dem Friedhof vor dem Komplex setzt derweil eine
eigenartige Hektik ein, Dutzende von weißverschleierten Frauen wuseln zwischen
den Grabsteinen hin und her, eine feierlich Stimmung liegt in der Luft. Ramadan
ist zuende. Trotzdem konnten wir im Ort noch gut einkaufen, Wasser, Käse,
Thunfisch, was noch so fehlt.
Auf der Piste nach Matmata fahren wir nach Westen
davon, die Tour beginnt hier endlich richtig. Unsere Fahrradverpackung haben
wir, wie 1997, bei Hachim eingelagert. Heinzi ist schon wieder genervt, sein
Schaltwerk rattert, wenn er die beiden großen Ritzel hinten fährt, er kann
sich nicht weit genug vom Kranz abstoßen. Eine Lösung finden wir nicht, am
ehesten ist die Kette zu lang.
Eine neue Variante soll probiert werden, an der
ersten Kreuzung halten wir uns links, nach Hallouf und Kheddeche. Gute
Entscheidung, nette, kaum befahrene Stecke durch blühende Landschaft, die
langsam auf den Dahar zuhält. Später treffen wir auf Asphalt, hier waren wir
schon einmal.
Es hat natürlich zahlreiche Vorteile, die gleiche
Region erneut zu bereisen, natürlich aber auch den Nachteil, daß man viele
Strecken schon einmal gefahren ist. Hier ergibt sich der Vorteil, daß wir wegen
des heftigen Südostwindes ein wenig umplanen und die gestern abend, bzw. heute
morgen erst mühsam abgestimmte Variante über Chenini nach Ksar Ghilane
verwerfen und einfach früher schon nach Ksar Ghilane abbiegen. Über Bir Zoui,
wo wir eine Duschung durchführen, allerdings wie schon befürchtet, der
Wasserstrom zwischendurch versiegt, zudem einige hirnige Franzosen vorbeiknallen
und sich schnell noch einmal von mir ihr GPS erklären lassen, geht es weiter
westwärts nach Bir Soltane.
Irgendwann endet der Asphalt, die Piste ist heftig
versandet, die ersten ebenen Schiebestücke fordern Kraft. Beim Abzweig nach Süden
wieder heftiger Wind, viel weiter kommen wir heute nicht mehr. Mühsam wird es,
einen Zeltplatz außer Sichtweite der Nomadenzelte zu bekommen. Auch hier stehen
in ca. 10 km Abständen wiederholt Wassertürme, die anscheinend regelmäßig
aufgefüllt werden, zumindest im Sommer. Jetzt sind fast alle leer.
83
km , 5 Stunden 40 min , 9
- 21° C
30.01.1998
Aufstehen wieder 6.30 Uhr, unglaublich, alles ist
klitschnaß! Beim Fahren bleibt der aufstobende Sand an allem kleben und fällt
erst im Laufe des Tages, als die Ausrüstung trocknet, wieder ab. Das Zelt
scheint mir 2 kg mehr zu wiegen. Wir erreichen bald die uns bekannte Route,
Richtung Café. Leider ist im dortigen Wasserturm auch kein Wasser, erstmals
sind hier mehrere Nomaden, die in der Nähe zelten. Wir frühstücken in
Gesellschaft, trinken eine Coke. Heinzi wird gefragt ob er Lehrer sei?! Ob die
hier auch ständig rülpsen?!
Erneut müssen wir viel schieben, erreichen bald die
Pilpelinepiste. Hier kommen wir auf die Idee, den bald kommenden Abzweig nach
Ksar Ghilane einfach tangential mittels GPS anzufahren, ein Entschluß den wir
später bereuen. Nach fast 1 ½ ständigem Geschiebe und Gefluche bei beträchtlicher
Wärme kehren wir auf mein Geheiß sicherheitshalber um, Heinzi meint, er hasse
umzukehren. Wie dem auch sei später sehen wir, daß wir an der dichtesten
Stelle immer noch über 2,8 km von unserer Schiebeendpunkt im Wadi entfernt
waren. Bei der Nordzufahrt die zweite Überraschung - stellenweise ist die
Strecke geteert, zumindest auf den ersten 3 Kilometer, danach befriedigend
trassiert, so daß wir nicht immer auf der Suche nach der befahrbarsten Variante
neben der Hauptspur schwimmen, lediglich am Ende, kurz vorm Ort ist dieses
notwendig. Unterwegs klagt Heinzi über heftige Schmerzen an den Knöcheln, die
ich ihm zunächst nicht abnehme. Er meint, es käme von den neuen Schuhen, die
ich ja aber auch habe! Zum Glück habe ich noch meine Badelatschen im Gepäck,
die ich mitgenommen hatte, um abend die Treter ein wenig zu lüften. Hiermit
geht es in leicht gemäßigter Fahrt weiter. Wahrlich kein idealer Radschuh,
aber ohne Alternative. Zugleich beginnen wir eine Voltaren-Kur. In der Sonne sind
heute schon 30° C, ganz andere Verhältnisse, als erwartet. Auf
Frost sind wir nach letztjährigen Erfahrungen eingestellt. Durch unsere
Eskapaden vorhin kommen wir mit nur noch 500 ml Wasser im Camp an. Die Zufahrt
ist versandet, einfacher hätten wir es gehabt, wären wir außenherum gefahren.
Wir schlürfen einige Cokes und Fantas, baden im Teich, bei 33°
Wassertemperatur, selbiger wird nun nicht mehr in die Oase abgeleitet, sondern
nach hinten, in die Wüste, wahrscheinlich ist das Wasser für die Palmen nicht
o.k.
Beim Versuch Brot und Apfelsinen zu bekommen, gerate
ich in Kontakt mit einer Frau aus München, die mir stolz von ihren
Saharaerfahrungen erzählt, sie arbeite am Geologischen Institut und rüste auch
Fahrradexpeditionen aus, ihre Forscher bräuchten in der Wüste immer 7 l Wasser
pro Tag. Inch Allah! Immerhin hat sie auch nützliche Infos, ein Hotel soll hier
gebaut werden und sie ist so freundlich, uns Apfelsinen zu schenken,
Brot habe ich für morgen früh bestellt. Wir sitzen im Camp, ein paar Tropfen fallen, der
Wind pfeift. Immer noch ein schöner Ort, aber die Faszination ist gefallen,
wenn hier das Hotel kommt, ist er sicher keine Reise mehr wert. Heinzi geht es
heute abend nicht gut, ihm ist übel und er geht früh ins Zelt.
56
km , 4 Stunden 45 min, 7
- 22° C
31.01.1998
Heute schlafen wir lange, bis 7.30 Uhr, wollen den
Tag langsam angehen. Heinzis Knöchel schmerzt weiter, er entfernt am Schuh die
vermeintliche Druckstelle. Wir bekommen noch weitere Orangen geschenkt, kaufen
Brot, sind jetzt gut gerüstet. Vor dem Abmarsch liegt noch die Reparatur von
Heinzis Technik. Ich trenne zwei Glieder aus der Kette und siehe da, der
Umwerfer macht unter der verbesserten Kettenspannung deutlich weniger Geräusche.
Dennoch ist er mittels der eigentlich dafür vorgesehenen Schraube nicht weiter
vom Ausfallende ab zu bewegen.
Wir beginnen die Weiterfahrt, Heinzi in Badelatschen
beiderseits. Mit Wind aus S/SW kommen wir gut voran. Der erste Stop an der
Pipelinepiste dient dem Essen, dann geht es weiter nach Norden, die Oberfläche
ist deutlich versandeter als in den Vorjahren. Heinzi quält sich auf den
Schlappen natürlich deutlich schlechter voran. Ich nutze das gelegentlich aus
und fahre weit voraus, einmal gebe ich eine halbe Stunde Vollgas und bügle mit
bis 30 km/h dahin, so lassen sich die sandigen Passagen sicher durchpflügen.
Welch ein tolles Licht heute! Nachdem in den ersten beiden Tagen häufig Wolken
zu sehen waren, zeigt sich der Himmel heute in phantastischer Januarklarheit,
kilometerweite, ungestörte Sicht. Bir Soltane erkennen wir schon weit bevor wir
ihn erreichen. Als wir dort ankommen, fährt geraden ein Mitglied der Garde
National vor, mit einem 500 l Wassertank, von einem Esel gezogen. Das kann ja
heiter werden, wenn wir uns an den schwachen Strom im letzten Jahr erinnern.
Aber dieses mal strömt das Wasser armdick aus der Pumpe, liegt´s am guten Wind?
Wir duschen ausgiebig, der Wind wird kalt. Irgendwo hier wird es sicher ein
nettes Übernachtungsplätzchen geben. Den ersten Versuch brechen wir ab, völlig
ungeschützt dem Wind und der Sicht des Posten ausgesetzt. Wir finden ein
lauschiges Plätzchen nahe der Dünen des Erg. Es gibt Jägertopf mit Nudeln,
der Wind schläft ein, vorher trägt er noch Hundegebell und Stimmen herbei,
aber niemand zeigt sich. Zum Abschluß gibt es Tee, herrlicher Afrikatag!
01.02.1998
6.30 Uhr aufstehen. Februar! Das Wetter ist hier, wie
bei uns im Sommer. Zunächst füllen wir unsere Wasservorräte am Brunnen auf.
Die Lichtstimmung ist fast zum Heulen schön. Man müßte die Zeit anhalten können...
Gibt es bei uns jemals einen Tag solcher Reinheit?
Kurzer Frühstücksstop am Café Bir Soltane (CBS),
Heinzi schlürft ein paar Käffchen, es gibt frischgebackenes Brot, der Besitzer
erinnert sich an unser letztjähriges Intermezzo, das damals installierte Bild
von Joe und mir hängt noch. Naben dem vom echten Heinzi. Kini (gadner) was here! Heinzi klaubt einen Sticker von der Wand. Herrliche Beute. die jetzt
einen Ehrenplatz in seinem Tagebuch einnimmt.
Der Typ im Café meint, daß die Verbindung Matmata -
Douz fertiggestellt sei. Wir würden auf Höhe des Café Jelili darauf treffen.
Dezidiertes Nachfragen läßt seine Aussagen aber irgendwie unsicher werden. Wir
verabschieden uns bis zum nächsten Jahr - Inch Allah!
Zurück auf die Pipelinepiste mit herrlichem Rückenwind.
Zwar nicht mehr so versandet, wie im Süden, aber jetzt deutlich häufiger mit
Wellblechcharakter. Wir meistern die 28 Kilometer bis zum Abzweig problemlos,
nur zwei Fahrzeuge begegnen uns, ein Militär-Unimog überholt uns. An der
Kreuzung kein Quadratmeter Asphalt, obwohl wir kurz zuvor ein Camp mit vielen
Baumaschinen passiert hatten. Das Café Jelili ebenfalls eine Enttäuschung, da
offensichtlich zu. Wir driften neben der wie immer schlecht zu befahrenen
Hauptpiste durch die Wüste, bis wir den schon seit Kilometern zu sehenden
Wasserturm erreichen. Wegen der heftigen Temperaturen in diesem völlig
schattenlosen Terrain beschließen wir im Schatten der hier wachsenden
Tamarisken eine gepflegte Mittagspause zu machen. Während wir eine Suppe köcheln, treibt ein Hirte
eine kleine Kamelherde mit Sicherheitsabstand vorbei. Im Schatten des Gebäudes
liegt ein mumifiziertes Schaf - würde eine gute Fleischeinlage abgeben... Nach
dieser Stärkung nehmen wir die fast 7 km lange Schiebepassage in Angriff, eine
echte Stärkeprüfung für Heinzi, unseren Badelatschenmann. Irgendwie schaffen
wir es, mit kleinen Fahrstücken, aber doch überwiegend in teilweise knöcheltiefem
Sand, bis wir am späten Nachmittag dann am Café Sahara Central die
„Zivilisation“ wieder erreichen.
Der Besitzer scheint zumindest nicht mehr derjenige
zu sein, bei dem Heinzi 1990 zwei Nächte verbracht hat. Auch ist das Café in
deutlich weniger gutem und besuchtem Zustand, als das an der Pipelinepiste.
Offensichtlich hat der Bau der Asphaltroute einige Kunden gekostet. Denn es gibt
sie doch, die legendäre Verbindung. Nur wenige Meter hinter dem Café rauschen
die Fahrzeuge vorbei. Offenbar war der Kreuzungspunkt der Routen nur wenige
Meter nördlich der Stelle, wo wir nach Westen abgebogen sind. Vielleicht fällt
auch das Café Jelili dieser Neuerung zum Opfer?!
Der Besitzer hier meint auf unser Befragen, die
Strecke sei nahezu fertig, lediglich die nächsten Kilometer seien nur „halb-halb“
fertiggestellt.
Wir fahren los, in der Hoffnung am Bir Ghezene
vielleicht noch eine Waschung durchführen zu können. Irgendwie hat das GPS
seit heute gewisse Probleme, das Einmessen dauert schon fast so lange, wir 1996,
als sie Antenne defekt war. Ich tausche noch einmal die Batterien, aber auch das
bringt keine Besserung.
Halb-halb!! Heinzi bekommt fast einen Wutanfall ob
der Beschreibung. Die offensichtlich durch den Bauverkehr völlig ruinierte
Piste ist hier in einem katastrophalen Zustand, der so oft zum Schieben zwingt,
wie niemals zuvor. Auch gibt es Staublöcher, die unvermittelt auftauchen und
zur Vollbremsung führen. Zudem ist in der Entfernung bereits die dammartige
neue Strecke zu erkennen, während wir eigentlich viel zu weit südlich durch
die Pampa eiern. Irgendwann wird es uns zu bunt, wir fahren quer auf die neue
Strecke, die ihren endgültigen Belag anscheinend noch nicht hat. Das bringt uns
an einer Stelle auch den Zorn eines Planierraupenfahrers ein, der wild hupend
die Weiterfahrt verhindern will. Nach weiteren 15 km - der Brunnen gab kein
Wasser - gegen den Wind entdeckt Heinzi in einer langgezogenen Kurve einen
netten Übernachtungsplatz. Immerhin guter Sichtschutz. Nachdem wir mit einen
spektakulären Sonnenuntergang diesen schönen Tag krönen, läßt uns eine
Panne an der nahegelegenen Straße noch eine Zeitlang eintreffenden Besuch befürchten.
Der kommt aber eher in der Nacht, als ein Moped nur zwanzig Meter an unserem
Zelt vorbeifährt...
60
km , 5 Stunden 10 min , 6 - 21° C
02.02.1998
7.30 Uhr aufstehen, wir entdecken besagte Spuren, ich
hatte den Lärm in der Nacht auch gehört, offensichtlich war doch ein
Nomadenzelt in der Nähe, ich hatte abends das Gefühl gehabt, Stimmen zu hören.
Mit rekordverdächtigem Schnitt vom 25 km/h erreichen
wir - bei zugegeben rekordverdächtigem Wind - das Ortsschild Douz. Dieser Ort
übt witzigerweise auf uns beide eine Faszination aus, nicht umsonst ist es das
Tor zur Wüste. Für mich immerhin der fünfte Besuch, der erste mit Heinzi, der
allerdings selbst auf seiner Solo-Reise 1990 schon hier war.
Irgendwie ist alles bekannt, der zentrale
Kreisverkehr, das Café, in dem wir sitzen und Eindrücke aufsaugen, der Obst-
und Gemüsemarkt, der zentrale Marktplatz, das Hotel Habib, die Patisserie, das
Magasin, das Taxiphone, nicht zuletzt der Campingplatz von Lorenzo, dem
Italiener.
Lorenzo spricht von „primavera“, so ist es heute
wirklich, wieder ist die Luft von unvorstellbarer Reinheit, Vögel zwitschern,
ich laufe barfuß über den Platz, der für mich der schönste in Tunesien ist.
Auch wenn man für Fahrräder hier eine Gebühr entrichten muß und das Zelten
teurer ist, als eine Unterkunft im Hotel. Lorenzo berichtet, der letzte Regen
sei im November gefallen!
Der Tag, als solcher eingeplant, wird zum Ruhe und
Pflegetag. Im Verlauf war uns klar geworden, daß eine Chottumrundung angesichts
Heinzis Angeschlagenheit leider nicht durchzuführen wäre. Es galt jetzt
Alternativen zu finden, jede Form von schabloniertem Zeitplan war von uns
abgefallen. Schade einerseits, dafür lebten wir eigentlich seit Tagen nur in
den selben hinein, eine eigenartige Entspannung bildete sich aus. Ich konnte
erstaunlich gut damit leben, machte Heinzi auch in mir keine Vorwürfe oder
bedauerte es zu sehr. Dafür war die Gesamtmenge der Eindrücke auch zu
intensiv, der Afrikafaktor zu hoch.
Wir wuschen, duschten, rasierten, lüfteten,
sortierten, kauften ein, klönten lange mit zwei Ulmern Motorradfuzzis, die uns
legendäres Motorradgarn sponnen, mit aufgeschlitzten Leibern an der
Pipelinepiste, 160 km/h, einem nur 5 Stunden dauernden Ritt nach Ksar Ghilane
(und zurück natürlich) usw. War aber ganz lustig, besonders Heinzi sog die
Stories auf, er will ja vielleicht auch einmal mit Claudette und seiner
Transalp vorbeikommen.
Gegen 16.00 Uhr raffen wir uns auf, um einmal durch
die Stadt und zur großen Düne zu fahren. Der Himmel hat sich unterdessen
milchig bewölkt, trotzdem ist es warm. Droht ein Wetterumschwung?
In den letzten Tagen ist es ja schrittweise immer wärmer
geworden. An der Düne eher Enttäuschung, wenn man einmal unberührte Dünen
gesehen hat, fallen diese eher dagegen ab, alles kommerzialisiert, überall
Nervensägen, wir drehen schnell wieder ab.
Von den Mopedfahrern können wir noch ein bißchen
Benzin abstauben. Vorm Zelt kochen wir dann einem Riesentopf mit Nudeln, Gemüse
und Tomatenmark, aber die Menge konnte erfolgreich vermindert werden, indem
Heinzi den Topf umriß. Alles zusammen kostet kaum 2 DM. Trotzdem ersticken wir
fast an der Menge. Später gelingt es mir noch eine Ersatzbatterie für die
Stirnlampe zu erstehen.
52
km , 2 Stunden 45 min
Aufstehen um 7.30 Uhr. Weil er in der Nacht durch die
ungewohnten Umgebungsgeräusche so schlecht geschlafen hat, hat Heinzi den
Wecker ausgestellt... Nach nochmaligem Duschen - es sind schon 14°, wir sind völlig
verschwitzt, brechen wir auf. Es ist stickig, der Himmel bewölkt, wir kommen
nicht weit: erst reißt mir durch einen sich ungeschickt im Vorderrad
verfangenen Draht ein Nippel aus, und ich muß die Speiche wechseln, die dabei
verbiegt. Dann scheint Heinzi heute den Negativrekord im Bewegen aufstellen zu
wollen, was eine schlechte Nacht doch ausmachen kann!
Zudem befindet er, daß die Luft jetzt eigentlich ´raus
sei, aus der Tour. Das kann ich aber so nicht finden, denn es liegen für mich
jetzt eigentlich erst die Dinge vor uns, die neu sind.
Wegen des zunehmenden, fast sturmartigem Süd(west)windes
sparen wir uns den Abstecher nach El Faouar, durchqueren die Randzonen des
Chotts.
Im Sandsturm erleben wir herrliche Szenerien, hunderte von
Eselgespannen, feuchte Stelle, fast Seen, einfache Dörfer, teilweise im
Neubaustil, gekrönt durch einen Pistenabstecher als Parallelroute Richtung
Kebili. Die schönste Chottlandschaft, die ich je gesehen habe, auf hervorragender
Piste, ohne jeden Verkehr.
Kebili bleibt wie immer enttäuschend, bei 30°C (!)
im Schatten schwitzen wir in einem Café. Hier fällt, auch angesichts der
Windrichtung, der Entschluß über den Chott el Fejaj nach Norden zu reisen, von
dort evtl. nach Gafsa zu gelangen. Mit weiter heftigem Rückenwind fliegen wir
dahin. In Steftini gibt es eine Quelle, an der wir zusammen 25 Liter Wasser
tanken. Zu unserer Überraschung ist die dann folgende, und mit „access
difficile“ beschilderte Strecke vollständig asphaltiert. Kann mich nicht
erinnern, je auf einer Reise solchen Wind gehabt zu haben, selbst wenn man nicht
tritt, fährt man kaum langsamer, als 20 km/h. Die Landschaft ist schön, aber
dennoch eintöniger, als heute morgen, hat aber auch ihren Reiz. Am nördlichen
Rand des Chotts finden wir einen netten Lagerplatz, leider im Schatten eines
dornigen Strauches, der am Ende für ein Loch im Zelt verantwortlich ist. Wir
duschen mit den Wassermassen, kochen, bauen wegen des in Sichtweite liegenden
Cafés noch nicht auf. Da bekommen wir auch schon Besuch vom Cafebesitzer, der
uns prompt zu sich einladen möchte, wir bevorzugen aber die Nacht im Freien. Um
21.00 Uhr sind noch 23°C. Beim Tee fragen wir uns, wieviele Tage dieser Art wir
in diesem Sommer haben werden?!
90
km , 4 Stunden 30 min
7.00 Uhr aufstehen, wir haben beide gut geschlafen.
Die ganze Nacht über hat es immer wieder geregnet, wegen der warmen Luft ist
das Zelt eher staubig, als naß. Zunächst frühstücken im Café, der Besitzer
legt außer Datteln auch noch eine Mandarine für jeden auf den Tisch, nette
Geste. Wir müssen über einen etwa 300 m hohen Bergzug, was uns zu einer Pause
im ersten Sonnenstrahl veranlaßt. Hier trocknen wir die Plane und diskutieren
das Prozedere.
An der Kreuzung der Route Gafsa - Gabes wird klar, daß wir bei
dem Wind beide keinen Bock haben, die gut 40 km nach Gafsa zu fahren. Wir wählen
die Anhaltervariante und halten mehrere Fahrzeuge an, deren Fahrer aber alle völlig
überrascht nach dem Grund der Mitnahme fragen, und entweder reichlich entlohnt
werden wollen, oder sagen, sie könnten maximal einen von uns, sprich: den
„kranken“ Heinzi, mitnehmen.
So vergeht die Zeit, bis eine Polizeieskorte
eintrifft und einen Kontrollposten errichtet.
Da die Lage unsicher wird, fahren wir einige
Kilometer weiter und versuchen das Glück erneut. Fehlanzeige. Angesichts des günstigen
Windes beschließen wir, erneut den Weg zum Ziel zu machen und fahren erst
einmal
los. Wieso nicht die letzten beiden Tage hier verfahren, die Landschaft ist
durchaus interessant, der Verkehr erträglich, das Wetter gut und wir eigentlich
ganz gut drauf. So plätschern die Kilometer dahin, hin und wieder dreht
allerdings der Wind und kommt dann kurzzeitig wundersamerweise frontal von vorn.
Nach einem längeren Stop in einem kleinen Kaff, wo
wir mit Mühe Wasser bekommen und ich dann zufällig einen kleinen Laden
entdecke, in dem es Kekse, Brot und Cola gibt, verbleiben noch gut 80 km, die
wir dann in einstündigen Etappen förmlich wegknallen, zunächst 23 km in 45
min, 10 min Pause, dann 21 km in 45
min, 10 min Pause, dann nochmals 10 km, der Wind dreht wieder.
Heinzi tapfer im Windschatten wie im Rausch. Letzte
Pause, Cola in Litern, wir beobachten Dominospieler. Die letzten 27 km wie in
Trance, milde, flachstehende Sonne, weitere einheimische Radler rasen in unserem Schatten
dahin, wir erreichen die ersten Orte, die P 1, das Ortsschild in Gabes.
Ein
Blick in Augen, der gleiche Gedanke, jetzt weiter nach Metameur, aber im Louage.
Leider keine Chance, alle Fahrzeuge sind zur Zeit im Einsatz. Anhand des
Ortsplanes im Reiseführer erreichen wir schnell die Souks, kaufen ein, finden
den Campingplatz rasch. Einschecken, duschen (warm...), kochen und Kontakt
herstellen zu den Nachbarn (drei Wohnmobile aus F und CH) sind eines. Diese
bieten uns zum Essen ihr Campinggestühl an. Wir nehmen dankend an, denn das
erste Mal sind wir nach Einbruch der Dunkelheit angekommen, zudem ist der Boden
des ohnehin sehr unangenehmen Platzes mit fauligen Datteln übersät. Beim Essen klettert ein schmieriger Typ über den
Zaun, trinkt aus Heinzis Teebecher und fragt ihn dann. „Mister, wollen
Sex?“. Genauso lautlos, wie er kam, verschwindet er wieder. Später berichtet
Heinzi, sei er allerdings noch einmal in der Toilette aufgetaucht...
05.02.1998
Nach dem Frühstück um 7.30 Uhr mit frischem Brot
beschäftigt uns erst einmal ein halbe Stunde lang ein Mensch, der Schafsfelle
verkaufen will. Zudem ist der halbe Platz durch die offensichtlich defekte
Wasserentsorgung überschwemmt, so daß wir uns schnell verpieseln.
Am Louageplatz wird Heinzi vorausgeschickt, wieder
ist kein Fahrzeug da, aber die Lage ist insgesamt sehr entspannt, das erste
freie Fahrzeug mit freundlichem Fahrer wird das unsrige zu einem guten Preis.
Leider fährt der gute Mann relativ aggressiv. In Medenine angekommen kämpfen
wir uns gegen einen höllischen Wind nach Metameur, unterwegs einige
Kleinigkeiten einkaufend und telefonierend. Zudem müssen wir uns wieder einmal
gegen Steinewerfer zur Wehr setzen. Hachim ist nicht da, aber der Cousin aus dem
Café, zusätzlich auch ein anderer Bekannter, der humpelnd, am Stock gehend uns
begrüßt und auch über unsere Ankunft genau informiert ist.
Nach einigen Pflegearbeiten am Rad kaufen wir im Ort
für unsere letzte selbstgemachte Mahlzeit ein. Hachim ist derweil gekommen, wir
haben geklärt, daß es zum Abendbrot kein Couscous geben wird, also wollen wir
selbst tätig werden.
12
km
06.02.1998
Die Nacht im Salon war von regelmäßigem
Hahnengeschrei und Hundegebell geprägt. Das Frühstück hatten wir für 7.30
Uhr geplant, es ist lecker, wie immer. Der Abschied fällt schwer, Hachim
schenkt mir eine Münze, einen weiteren Ghorfa-Fund und eine Visitenkarte „Für
immer Freunde...“! Nett.
Das Hotel soll noch bis zum März wegen Reparaturen
geschlossen sein. Gesehen haben wir in den vier dort verbrachten Tagen
niemanden, der auch nur annähernd nach Arbeit aussah. Inch Allah!
Der Abgang im Medenine ist leicht verzögert, das
erste Taxi hat keinen Dachgepäckträger, das nächste füllt sich rasch. Einer
unserer Mitfahrer muß kurz vorm Ziel kotzen, trifft nur knapp an Heinzi vorbei,
aber das ganze Auto ist voll, er muß erst einmal saubermachen.
Im Houmt Souk kennen wir uns ja recht gut aus, gehen
in die Souks, kaufen den von Meike und Maren erwünschten Lippenstift, außerdem
finde ich zwei nette Ringe für Meike, die ich nach zähem Feilschen erstehe,
nicht ohne mich vorher mit dem Besitzer des Nachbarladens heftig erzürnt zu
haben (Ein Mann, ein Wort). Blah, blah. Abschluß findet der Urlaub im
Restaurant du Sud beim Couscous tunisienne.
Später fahren wir hinaus zum Flughafen Melilla,
packen um, checken ein und beobachten, wie unmotiviert Luft aus einem Reifen
gelassen wird. Sehen mit Schrecken, wie die Räder auf dem Laufband um die Ecke
verschwinden. Mit Mühe war es uns gelungen einen Label für die Räder zu
ergattern.
Im Anflug auf Hamburg schließt sich der Kreis - die
Chottumrundung 1999? Inch Allah!
25 km
"Der Weg zur Macht führt durch die Paläste. Der Weg zum Reichtum führt durch die Basare. Der Weg zur Weisheit aber führt durch die Wüste." arabisches Sprichwort |
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