Radreise nach Tunesien vom 28.1.98 bis 6.2.98

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Das Tagebuch von Jan

Streckenverlauf:  

Geschichten am Rande:

1978, 1979, 1981 mit meinen Eltern, 1993 per Rucksack mit Meike und dreimal per Rad (1992 mit Ingo, 1996 mit Joe und 1997 bereits mit Thomas) war ich in Tunesien gewesen. Eigentlich sollte es dieses Jahr eine Winterreise mit Thomas (Heinzi) werden, geplant und fest ausgearbeitet waren die Dolomiten, Start am 29.1. Aber es kam dann doch anders, als erwartet:  

Heinzis KarteMit einem Entschuldigungsschreiben wollte er sich - zugegebenermaßen aus nachvollziehbaren Gründen, noch im letzten Moment von einer gemeinsamen Reise zurückziehen. Aber ich hatte ihm keine Chance gelassen, denn - zufällig- noch bevor diese Karte bei mir eintraf, hatte ich am Abend des 17.01.1998 in unserem Reisebüro angerufen und abgeklärt, ob der als Alternative geplante Tunesienflug bereits als Last-Minute-Angebot billiger geworden wäre. In der Tat war der Preis reduziert worden, und als ich Heinzi abends im Dienst erreichte, muß ich ihn wohl ein wenig überrumpelt haben, denn relativ widerstandslos ließ er sich zum Buchen der Reise nach Tunesien überreden. Also ging es doch los:

28.01.1998

6.00 Uhr aufstehen, nach einer gut geschlafenen Nacht wache ich auf, der erste Blick aus dem Fenster: Regen! Scheiße! In all den Jahren, die ich per Rad verreise gab es das noch nie. Ein hastiges Frühstück, bestehend aus Joghurt, immerhin macht es das ganze erfreulicher, daß Meike mich hinbringen will. Im Nieselregen in voller Gore-Hülle nach Fuhlsbüttel, Heinzi ist schon da, von Claudette gebracht.

Der Abschied wird lang, irgendwie haben wir dieses mal sehr viel Zeit und sind relativ entspannt. naja, alte Hasen... Zunächst geht es nach Stuttgart, der Umsteigestop macht den Eindruck, wie ein Dritte Welt Flughafen, altes Gestühl, unmodern. Egal. Weiter nach 90 Minuten Pause, dann endlich 13.45 Uhr AFRIKA. Milde Frühlingssonne, aber kühle Luft, kaum 14 °C. Kleine Schäden an Heinzis Rad: der Flaschenhalter unten ist zerfetzt, der Vorderradträger verbogen.

Zoll unproblematisch, die marque ist TREK und SPRITE, was sonst. Aufladen und ab nach Houmt Souk. Hier am Taxenplatz eigenartige Leere, kaum Taxis, viel Hektik. Wann der Ramadan denn zu Ende sei? Keiner weiß es, vielleicht schon morgen, spätestens übermorgen. Ein Typ meint, die Situation sei exzeptionell, aber er würde sich um uns kümmern. Irgendwann fährt ein völlig verbeulter 504 vor, mit privatem Fahrer, will 40 TD. Wir handeln schnell auf 30, regulärer Preis wäre (wenn man hin- und zurück rechnet) sicher ähnlich. Ehe wir uns versehen sitzen aber noch zwei Kutten mit im Wagen. Afrika! Nach Tankstopp die Bitte bei Polizeikontrollen zu behaupten, dieses sei ein Freundschaftsdienst. Nach 90 Minuten und solidem 80er Schnitt dann Medenine im Sonnenuntergang.

Ghorfakomplex in Metameur Immer wieder sympathisch diese Stadt. Hier zunächst Einkauf, Tankstop, Telefonat. Auf der P1 nach Norden, 6 km bis Metameur, der Brotkauf, es gibt nur noch spärliche Reste, bringt die ersten frechen tunesischen Kinder, Erinnerungen an Marokko werden wach, plötzlich der Knall, Sonnenuntergang, Fasten für heute vorbei. Wir glauben’s kaum, prüfen die Zeit per Satellit. Stimmt haargenau! Der Versuch, noch ein paar Apfelsinen zu erstehen mißlingt fast, soviel Hunger scheint der Verkäufer zu haben. Gemeinsam mit ein paar Tunesiern  trinken wir etwas im Nachbargeschäft.

In Metameur ist es schon dunkel, der Hof des Ghorfahotels leer. Wieder geschlossen wegen Reparation?! Wir kochen ein Spaghettigericht, Heinzi hat seinen Anteil vergessen. Irgendwann kommt eine Gestalt auf den Hof, die wir sofort erkennen: Hachim, der Besitzer! Der Begrüßungsruf wird zunächst kühl erwidert, bis er uns erkennt. Begrüßungsküßchen, das Hotel ist wirklich zu, aber wir könnten im Salon schlafen. Wir sitzen noch lange alleine im Hof, ein anderer Typ kommt, etwas dicklich, ob wir den Patron schon gesehen haben - haben wir! Wir verabreden Frühstück für 7.00 Uhr.  

24 km, 1 - 16° C

29.01.1998

6.30 Uhr aufstehen, bedeckt. Mein 31. Geburtstag. Habe noch nie nicht zu hause gefeiert, komisches Gefühl, ein Tag wie jeder andere. Die Duschen sind leider zu, wir frühstücken bei Hachims Cousin (?), es gibt Kaffee, Tee, frischen O-Saft, Margarine, leckeres Brot, Feigenmarmelade und - von Heinzi servierte Yes-Torties mit Kerzen darin.

Auf dem Friedhof vor dem Komplex setzt derweil eine eigenartige Hektik ein, Dutzende von weißverschleierten Frauen wuseln zwischen den Grabsteinen hin und her, eine feierlich Stimmung liegt in der Luft. Ramadan ist zuende. Trotzdem konnten wir im Ort noch gut einkaufen, Wasser, Käse, Thunfisch, was noch so fehlt.

Auf der Piste nach Matmata fahren wir nach Westen davon, die Tour beginnt hier endlich richtig. Unsere Fahrradverpackung haben wir, wie 1997, bei Hachim eingelagert. Heinzi ist schon wieder genervt, sein Schaltwerk rattert, wenn er die beiden großen Ritzel hinten fährt, er kann sich nicht weit genug vom Kranz abstoßen. Eine Lösung finden wir nicht, am ehesten ist die Kette zu lang.

Eine neue Variante soll probiert werden, an der ersten Kreuzung halten wir uns links, nach Hallouf und Kheddeche. Gute Entscheidung, nette, kaum befahrene Stecke durch blühende Landschaft, die langsam auf den Dahar zuhält. Später treffen wir auf Asphalt, hier waren wir schon einmal. Hinein in die Berge  mit zum Teil heftigen Steigungen, weiter nach Hallouf, von hier auf Schotter Richtung Kheddeche. Bisher hatten wir uns trotz vielfacher Diskussionen nicht über eine genaue Route einigen können.

Es hat natürlich zahlreiche Vorteile, die gleiche Region erneut zu bereisen, natürlich aber auch den Nachteil, daß man viele Strecken schon einmal gefahren ist. Hier ergibt sich der Vorteil, daß wir wegen des heftigen Südostwindes ein wenig umplanen und die gestern abend, bzw. heute morgen erst mühsam abgestimmte Variante über Chenini nach Ksar Ghilane verwerfen und einfach früher schon nach Ksar Ghilane abbiegen. Über Bir Zoui, wo wir eine Duschung durchführen, allerdings wie schon befürchtet, der Wasserstrom zwischendurch versiegt, zudem einige hirnige Franzosen vorbeiknallen und sich schnell noch einmal von mir ihr GPS erklären lassen, geht es weiter westwärts nach Bir Soltane.

Bloß nicht schieben...Irgendwann endet der Asphalt, die Piste ist heftig versandet, die ersten ebenen Schiebestücke fordern Kraft. Beim Abzweig nach Süden wieder heftiger Wind, viel weiter kommen wir heute nicht mehr. Mühsam wird es, einen Zeltplatz außer Sichtweite der Nomadenzelte zu bekommen. Auch hier stehen in ca. 10 km Abständen wiederholt Wassertürme, die anscheinend regelmäßig aufgefüllt werden, zumindest im Sommer. Jetzt sind fast alle leer.  

83 km , 5 Stunden 40 min , 9 - 21° C                                                          

30.01.1998

Aufstehen wieder 6.30 Uhr, unglaublich, alles ist klitschnaß! Beim Fahren bleibt der aufstobende Sand an allem kleben und fällt erst im Laufe des Tages, als die Ausrüstung trocknet, wieder ab. Das Zelt scheint mir 2 kg mehr zu wiegen. Wir erreichen bald die uns bekannte Route, Richtung Café. Leider ist im dortigen Wasserturm auch kein Wasser, erstmals sind hier mehrere Nomaden, die in der Nähe zelten. Wir frühstücken in Gesellschaft, trinken eine Coke. Heinzi wird gefragt ob er Lehrer sei?! Ob die hier auch ständig rülpsen?!

Erneut müssen wir viel schieben, erreichen bald die Pilpelinepiste. Hier kommen wir auf die Idee, den bald kommenden Abzweig nach Ksar Ghilane einfach tangential mittels GPS anzufahren, ein Entschluß den wir später bereuen. Nach fast 1 ½ ständigem Geschiebe und Gefluche bei beträchtlicher Wärme kehren wir auf mein Geheiß sicherheitshalber um, Heinzi meint, er hasse umzukehren. Wie dem auch sei später sehen wir, daß wir an der dichtesten Stelle immer noch über 2,8 km von unserer Schiebeendpunkt im Wadi entfernt waren. Bei der Nordzufahrt die zweite Überraschung - stellenweise ist die Strecke geteert, zumindest auf den ersten 3 Kilometer, danach befriedigend trassiert, so daß wir nicht immer auf der Suche nach der befahrbarsten Variante neben der Hauptspur schwimmen, lediglich am Ende, kurz vorm Ort ist dieses notwendig. Unterwegs klagt Heinzi über heftige Schmerzen an den Knöcheln, die ich ihm zunächst nicht abnehme. Er meint, es käme von den neuen Schuhen, die ich ja aber auch habe! Zum Glück habe ich noch meine Badelatschen im Gepäck, die ich mitgenommen hatte, um abend die Treter ein wenig zu lüften. Hiermit geht es in leicht gemäßigter Fahrt weiter. Wahrlich kein idealer Radschuh, aber ohne Alternative. Zugleich beginnen wir eine Voltaren-Kur. In der Sonne sind heute schon 30° C, ganz andere Verhältnisse, als erwartet. Auf  Frost sind wir nach letztjährigen Erfahrungen eingestellt. Durch unsere Eskapaden vorhin kommen wir mit nur noch 500 ml Wasser im Camp an. Die Zufahrt ist versandet, einfacher hätten wir es gehabt, wären wir außenherum gefahren. Wir schlürfen einige Cokes und Fantas, baden im Teich, bei 33° Wassertemperatur, selbiger wird nun nicht mehr in die Oase abgeleitet, sondern nach hinten, in die Wüste, wahrscheinlich ist das Wasser für die Palmen nicht o.k. Beim Versuch Brot und Apfelsinen zu bekommen, gerate ich in Kontakt mit einer Frau aus München, die mir stolz von ihren Saharaerfahrungen erzählt, sie arbeite am Geologischen Institut und rüste auch Fahrradexpeditionen aus, ihre Forscher bräuchten in der Wüste immer 7 l Wasser pro Tag. Inch Allah! Immerhin hat sie auch nützliche Infos, ein Hotel soll hier gebaut werden und sie ist so freundlich, uns Apfelsinen zu schenken,

Wasser! Brot habe ich für morgen früh bestellt. Wir sitzen im Camp, ein paar Tropfen fallen, der Wind pfeift. Immer noch ein schöner Ort, aber die Faszination ist gefallen, wenn hier das Hotel kommt, ist er sicher keine Reise mehr wert. Heinzi geht es heute abend nicht gut, ihm ist übel und er geht früh ins Zelt.

56 km , 4 Stunden 45 min, 7 - 22° C                                                               

31.01.1998

Heute schlafen wir lange, bis 7.30 Uhr, wollen den Tag langsam angehen. Heinzis Knöchel schmerzt weiter, er entfernt am Schuh die vermeintliche Druckstelle. Wir bekommen noch weitere Orangen geschenkt, kaufen Brot, sind jetzt gut gerüstet. Vor dem Abmarsch liegt noch die Reparatur von Heinzis Technik. Ich trenne zwei Glieder aus der Kette und siehe da, der Umwerfer macht unter der verbesserten Kettenspannung deutlich weniger Geräusche. Dennoch ist er mittels der eigentlich dafür vorgesehenen Schraube nicht weiter vom Ausfallende ab zu bewegen.

Wir beginnen die Weiterfahrt, Heinzi in Badelatschen beiderseits. Mit Wind aus S/SW kommen wir gut voran. Der erste Stop an der Pipelinepiste dient dem Essen, dann geht es weiter nach Norden, die Oberfläche ist deutlich versandeter als in den Vorjahren. Heinzi quält sich auf den Schlappen natürlich deutlich schlechter voran. Ich nutze das gelegentlich aus und fahre weit voraus, einmal gebe ich eine halbe Stunde Vollgas und bügle mit bis 30 km/h dahin, so lassen sich die sandigen Passagen sicher durchpflügen. Welch ein tolles Licht heute! Nachdem in den ersten beiden Tagen häufig Wolken zu sehen waren, zeigt sich der Himmel heute in phantastischer Januarklarheit, kilometerweite, ungestörte Sicht. Bir Soltane erkennen wir schon weit bevor wir ihn erreichen. Als wir dort ankommen, fährt geraden ein Mitglied der Garde National vor, mit einem 500 l Wassertank, von einem Esel gezogen. Das kann ja heiter werden, wenn wir uns an den schwachen Strom im letzten Jahr erinnern. Aber dieses mal strömt das Wasser armdick aus der Pumpe, liegt´s am guten Wind?

Dusche am Bir Soltane Wir duschen ausgiebig, der Wind wird kalt. Irgendwo hier wird es sicher ein nettes Übernachtungsplätzchen geben. Den ersten Versuch brechen wir ab, völlig ungeschützt dem Wind und der Sicht des Posten ausgesetzt. Wir finden ein lauschiges Plätzchen nahe der Dünen des Erg. Es gibt Jägertopf mit Nudeln, der Wind schläft ein, vorher trägt er noch Hundegebell und Stimmen herbei, aber niemand zeigt sich. Zum Abschluß gibt es Tee, herrlicher Afrikatag!    50 km , 3 Stunden 3 min, 7 - 22° C                                                                                          

01.02.1998

6.30 Uhr aufstehen. Februar! Das Wetter ist hier, wie bei uns im Sommer. Zunächst füllen wir unsere Wasservorräte am Brunnen auf. Die Lichtstimmung ist fast zum Heulen schön. Man müßte die Zeit anhalten können... Gibt es bei uns jemals einen Tag solcher Reinheit?

Kurzer Frühstücksstop am Café Bir Soltane (CBS), Heinzi schlürft ein paar Käffchen, es gibt frischgebackenes Brot, der Besitzer erinnert sich an unser letztjähriges Intermezzo, das damals installierte Bild von Joe und mir hängt noch. Naben dem vom echten Heinzi. Kini (gadner) was here! Heinzi klaubt einen Sticker von der Wand. Herrliche Beute. die jetzt einen Ehrenplatz in seinem Tagebuch einnimmt.

Der Typ im Café meint, daß die Verbindung Matmata - Douz fertiggestellt sei. Wir würden auf Höhe des Café Jelili darauf treffen. Dezidiertes Nachfragen läßt seine Aussagen aber irgendwie unsicher werden. Wir verabschieden uns bis zum nächsten Jahr - Inch Allah!

Zurück auf die Pipelinepiste mit herrlichem Rückenwind. Zwar nicht mehr so versandet, wie im Süden, aber jetzt deutlich häufiger mit Wellblechcharakter. Wir meistern die 28 Kilometer bis zum Abzweig problemlos, nur zwei Fahrzeuge begegnen uns, ein Militär-Unimog überholt uns. An der Kreuzung kein Quadratmeter Asphalt, obwohl wir kurz zuvor ein Camp mit vielen Baumaschinen passiert hatten. Das Café Jelili ebenfalls eine Enttäuschung, da offensichtlich zu. Wir driften neben der wie immer schlecht zu befahrenen Hauptpiste durch die Wüste, bis wir den schon seit Kilometern zu sehenden Wasserturm erreichen. Wegen der heftigen Temperaturen in diesem völlig schattenlosen Terrain beschließen wir im Schatten der hier wachsenden Tamarisken eine gepflegte Mittagspause zu machen.

MittagspauseWährend wir eine Suppe köcheln, treibt ein Hirte eine kleine Kamelherde mit Sicherheitsabstand vorbei. Im Schatten des Gebäudes liegt ein mumifiziertes Schaf - würde eine gute Fleischeinlage abgeben... Nach dieser Stärkung nehmen wir die fast 7 km lange Schiebepassage in Angriff, eine echte Stärkeprüfung für Heinzi, unseren Badelatschenmann. Irgendwie schaffen wir es, mit kleinen Fahrstücken, aber doch überwiegend in teilweise knöcheltiefem Sand, bis wir am späten Nachmittag dann am Café Sahara Central die „Zivilisation“ wieder erreichen.

Der Besitzer scheint zumindest nicht mehr derjenige zu sein, bei dem Heinzi 1990 zwei Nächte verbracht hat. Auch ist das Café in deutlich weniger gutem und besuchtem Zustand, als das an der Pipelinepiste. Offensichtlich hat der Bau der Asphaltroute einige Kunden gekostet. Denn es gibt sie doch, die legendäre Verbindung. Nur wenige Meter hinter dem Café rauschen die Fahrzeuge vorbei. Offenbar war der Kreuzungspunkt der Routen nur wenige Meter nördlich der Stelle, wo wir nach Westen abgebogen sind. Vielleicht fällt auch das Café Jelili dieser Neuerung zum Opfer?!

Der Besitzer hier meint auf unser Befragen, die Strecke sei nahezu fertig, lediglich die nächsten Kilometer seien nur „halb-halb“ fertiggestellt.

Wir fahren los, in der Hoffnung am Bir Ghezene vielleicht noch eine Waschung durchführen zu können. Irgendwie hat das GPS seit heute gewisse Probleme, das Einmessen dauert schon fast so lange, wir 1996, als sie Antenne defekt war. Ich tausche noch einmal die Batterien, aber auch das bringt keine Besserung.

Lauschiges PlätzchenHalb-halb!! Heinzi bekommt fast einen Wutanfall ob der Beschreibung. Die offensichtlich durch den Bauverkehr völlig ruinierte Piste ist hier in einem katastrophalen Zustand, der so oft zum Schieben zwingt, wie niemals zuvor. Auch gibt es Staublöcher, die unvermittelt auftauchen und zur Vollbremsung führen. Zudem ist in der Entfernung bereits die dammartige neue Strecke zu erkennen, während wir eigentlich viel zu weit südlich durch die Pampa eiern. Irgendwann wird es uns zu bunt, wir fahren quer auf die neue Strecke, die ihren endgültigen Belag anscheinend noch nicht hat. Das bringt uns an einer Stelle auch den Zorn eines Planierraupenfahrers ein, der wild hupend die Weiterfahrt verhindern will. Nach weiteren 15 km - der Brunnen gab kein Wasser - gegen den Wind entdeckt Heinzi in einer langgezogenen Kurve einen netten Übernachtungsplatz. Immerhin guter Sichtschutz. Nachdem wir mit einen spektakulären Sonnenuntergang diesen schönen Tag krönen, läßt uns eine Panne an der nahegelegenen Straße noch eine Zeitlang eintreffenden Besuch befürchten. Der kommt aber eher in der Nacht, als ein Moped nur zwanzig Meter an unserem Zelt vorbeifährt...   

60 km , 5 Stunden 10 min , 6 - 21° C                                                     

02.02.1998

7.30 Uhr aufstehen, wir entdecken besagte Spuren, ich hatte den Lärm in der Nacht auch gehört, offensichtlich war doch ein Nomadenzelt in der Nähe, ich hatte abends das Gefühl gehabt, Stimmen zu hören.

Mit rekordverdächtigem Schnitt vom 25 km/h erreichen wir - bei zugegeben rekordverdächtigem Wind - das Ortsschild Douz. Dieser Ort übt witzigerweise auf uns beide eine Faszination aus, nicht umsonst ist es das Tor zur Wüste. Für mich immerhin der fünfte Besuch, der erste mit Heinzi, der allerdings selbst auf seiner Solo-Reise 1990 schon hier war. Bei der Einfahrt erdrückt uns die Anzahl der Menschen fast, das erste Mal seit fünf Tagen Menschen, Menschen in einer intakten Bevölkerungsstruktur, Menschen eines lebendigen Ortes, Menschen voller Lebensfreude. Menschenmassen!

Irgendwie ist alles bekannt, der zentrale Kreisverkehr, das Café, in dem wir sitzen und Eindrücke aufsaugen, der Obst- und Gemüsemarkt, der zentrale Marktplatz, das Hotel Habib, die Patisserie, das Magasin, das Taxiphone, nicht zuletzt der Campingplatz von Lorenzo, dem Italiener.

Lorenzo spricht von „primavera“, so ist es heute wirklich, wieder ist die Luft von unvorstellbarer Reinheit, Vögel zwitschern, ich laufe barfuß über den Platz, der für mich der schönste in Tunesien ist. Auch wenn man für Fahrräder hier eine Gebühr entrichten muß und das Zelten teurer ist, als eine Unterkunft im Hotel. Lorenzo berichtet, der letzte Regen sei im November gefallen!

Endlich...

Der Tag, als solcher eingeplant, wird zum Ruhe und Pflegetag. Im Verlauf war uns klar geworden, daß eine Chottumrundung angesichts Heinzis Angeschlagenheit leider nicht durchzuführen wäre. Es galt jetzt Alternativen zu finden, jede Form von schabloniertem Zeitplan war von uns abgefallen. Schade einerseits, dafür lebten wir eigentlich seit Tagen nur in den selben hinein, eine eigenartige Entspannung bildete sich aus. Ich konnte erstaunlich gut damit leben, machte Heinzi auch in mir keine Vorwürfe oder bedauerte es zu sehr. Dafür war die Gesamtmenge der Eindrücke auch zu intensiv, der Afrikafaktor zu hoch.

Wir wuschen, duschten, rasierten, lüfteten, sortierten, kauften ein, klönten lange mit zwei Ulmern Motorradfuzzis, die uns legendäres Motorradgarn sponnen, mit aufgeschlitzten Leibern an der Pipelinepiste, 160 km/h, einem nur 5 Stunden dauernden Ritt nach Ksar Ghilane (und zurück natürlich) usw. War aber ganz lustig, besonders Heinzi sog die Stories auf, er will ja vielleicht auch einmal mit  Claudette und seiner Transalp vorbeikommen.

Gegen 16.00 Uhr raffen wir uns auf, um einmal durch die Stadt und zur großen Düne zu fahren. Der Himmel hat sich unterdessen milchig bewölkt, trotzdem ist es warm. Droht ein Wetterumschwung?

In den letzten Tagen ist es ja schrittweise immer wärmer geworden. An der Düne eher Enttäuschung, wenn man einmal unberührte Dünen gesehen hat, fallen diese eher dagegen ab, alles kommerzialisiert, überall Nervensägen, wir drehen schnell wieder ab. Auf dem Markt kaufen wir noch eine Karotte, eine Begegnung mit drei Radfahrern verläuft eher peinlich. Ihre erste Radtour?

Von den Mopedfahrern können wir noch ein bißchen Benzin abstauben. Vorm Zelt kochen wir dann einem Riesentopf mit Nudeln, Gemüse und Tomatenmark, aber die Menge konnte erfolgreich vermindert werden, indem Heinzi den Topf umriß. Alles zusammen kostet kaum 2 DM. Trotzdem ersticken wir fast an der Menge. Später gelingt es mir noch eine Ersatzbatterie für die Stirnlampe zu erstehen. 

52 km , 2 Stunden 45 min, 5 - 25° C                                     

03.02.1998

Aufstehen um 7.30 Uhr. Weil er in der Nacht durch die ungewohnten Umgebungsgeräusche so schlecht geschlafen hat, hat Heinzi den Wecker ausgestellt... Nach nochmaligem Duschen - es sind schon 14°, wir sind völlig verschwitzt, brechen wir auf. Es ist stickig, der Himmel bewölkt, wir kommen nicht weit: erst reißt mir durch einen sich ungeschickt im Vorderrad verfangenen Draht ein Nippel aus, und ich muß die Speiche wechseln, die dabei verbiegt. Dann scheint Heinzi heute den Negativrekord im Bewegen aufstellen zu wollen, was eine schlechte Nacht doch ausmachen kann!

Zudem befindet er, daß die Luft jetzt eigentlich ´raus sei, aus der Tour. Das kann ich aber so nicht finden, denn es liegen für mich jetzt eigentlich erst die Dinge vor uns, die neu sind.

Wegen des zunehmenden, fast sturmartigem Süd(west)windes sparen wir uns den Abstecher nach El Faouar, durchqueren die Randzonen des Chotts.

Gute Piste... Im Sandsturm erleben wir herrliche Szenerien, hunderte von Eselgespannen, feuchte Stelle, fast Seen, einfache Dörfer, teilweise im Neubaustil, gekrönt durch einen Pistenabstecher als Parallelroute Richtung Kebili. Die schönste Chottlandschaft, die ich je gesehen habe, auf hervorragender Piste, ohne jeden Verkehr. Schon wieder eine Panne: die Nietung meiner Ortliebtasche reißt an bekannter Stelle ab und muß neu verschraubt werden.

Kebili bleibt wie immer enttäuschend, bei 30°C (!) im Schatten schwitzen wir in einem Café. Hier fällt, auch angesichts der Windrichtung, der Entschluß über den Chott el Fejaj nach Norden zu reisen, von dort evtl. nach Gafsa zu gelangen. Mit weiter heftigem Rückenwind fliegen wir dahin. In Steftini gibt es eine Quelle, an der wir zusammen 25 Liter Wasser tanken. Zu unserer Überraschung ist die dann folgende, und mit „access difficile“ beschilderte Strecke vollständig asphaltiert. Kann mich nicht erinnern, je auf einer Reise solchen Wind gehabt zu haben, selbst wenn man nicht tritt, fährt man kaum langsamer, als 20 km/h. Die Landschaft ist schön, aber dennoch eintöniger, als heute morgen, hat aber auch ihren Reiz. Am nördlichen Rand des Chotts finden wir einen netten Lagerplatz, leider im Schatten eines dornigen Strauches, der am Ende für ein Loch im Zelt verantwortlich ist. Wir duschen mit den Wassermassen, kochen, bauen wegen des in Sichtweite liegenden Cafés noch nicht auf. Da bekommen wir auch schon Besuch vom Cafebesitzer, der uns prompt zu sich einladen möchte, wir bevorzugen aber die Nacht im Freien. Um 21.00 Uhr sind noch 23°C. Beim Tee fragen wir uns, wieviele Tage dieser Art wir in diesem Sommer haben werden?!    

90 km , 4 Stunden 30 min, 14  - 30° C  

04.02.1998

7.00 Uhr aufstehen, wir haben beide gut geschlafen. Die ganze Nacht über hat es immer wieder geregnet, wegen der warmen Luft ist das Zelt eher staubig, als naß. Zunächst frühstücken im Café, der Besitzer legt außer Datteln auch noch eine Mandarine für jeden auf den Tisch, nette Geste. Wir müssen über einen etwa 300 m hohen Bergzug, was uns zu einer Pause im ersten Sonnenstrahl veranlaßt. Hier trocknen wir die Plane und diskutieren das Prozedere.

Tunesisches Waschen an der Quelle An der Kreuzung der Route Gafsa - Gabes wird klar, daß wir bei dem Wind beide keinen Bock haben, die gut 40 km nach Gafsa zu fahren. Wir wählen die Anhaltervariante und halten mehrere Fahrzeuge an, deren Fahrer aber alle völlig überrascht nach dem Grund der Mitnahme fragen, und entweder reichlich entlohnt werden wollen, oder sagen, sie könnten maximal einen von uns, sprich: den „kranken“ Heinzi, mitnehmen.

So vergeht die Zeit, bis eine Polizeieskorte eintrifft und einen Kontrollposten errichtet.

Da die Lage unsicher wird, fahren wir einige Kilometer weiter und versuchen das Glück erneut. Fehlanzeige. Angesichts des günstigen Windes beschließen wir, erneut den Weg zum Ziel zu machen und fahren erst einmal los. Wieso nicht die letzten beiden Tage hier verfahren, die Landschaft ist durchaus interessant, der Verkehr erträglich, das Wetter gut und wir eigentlich ganz gut drauf. So plätschern die Kilometer dahin, hin und wieder dreht allerdings der Wind und kommt dann kurzzeitig wundersamerweise frontal von vorn.

Nach einem längeren Stop in einem kleinen Kaff, wo wir mit Mühe Wasser bekommen und ich dann zufällig einen kleinen Laden entdecke, in dem es Kekse, Brot und Cola gibt, verbleiben noch gut 80 km, die wir dann in einstündigen Etappen förmlich wegknallen, zunächst 23 km in 45 min,  10 min Pause, dann 21 km in 45 min, 10 min Pause, dann nochmals 10 km, der Wind dreht wieder.

Heinzi tapfer im Windschatten wie im Rausch. Letzte Pause, Cola in Litern, wir beobachten Dominospieler. Die letzten 27 km wie in Trance, milde, flachstehende Sonne, weitere einheimische Radler rasen in unserem Schatten dahin, wir erreichen die ersten Orte, die P 1, das Ortsschild in Gabes.

Kurvenreiche Strecke! Ein Blick in Augen, der gleiche Gedanke, jetzt weiter nach Metameur, aber im Louage. Leider keine Chance, alle Fahrzeuge sind zur Zeit im Einsatz. Anhand des Ortsplanes im Reiseführer erreichen wir schnell die Souks, kaufen ein, finden den Campingplatz rasch. Einschecken, duschen (warm...), kochen und Kontakt herstellen zu den Nachbarn (drei Wohnmobile aus F und CH) sind eines. Diese bieten uns zum Essen ihr Campinggestühl an. Wir nehmen dankend an, denn das erste Mal sind wir nach Einbruch der Dunkelheit angekommen, zudem ist der Boden des ohnehin sehr unangenehmen Platzes mit fauligen Datteln übersät.  

Beim Essen klettert ein schmieriger Typ über den Zaun, trinkt aus Heinzis Teebecher und fragt ihn dann. „Mister, wollen Sex?“. Genauso lautlos, wie er kam, verschwindet er wieder. Später berichtet Heinzi, sei er allerdings noch einmal in der Toilette aufgetaucht...               

145,9 km , 6 Stunden 40 min, 14  - 23° C                                                                                                

05.02.1998

Nach dem Frühstück um 7.30 Uhr mit frischem Brot beschäftigt uns erst einmal ein halbe Stunde lang ein Mensch, der Schafsfelle verkaufen will. Zudem ist der halbe Platz durch die offensichtlich defekte Wasserentsorgung überschwemmt, so daß wir uns schnell verpieseln.

Am Louageplatz wird Heinzi vorausgeschickt, wieder ist kein Fahrzeug da, aber die Lage ist insgesamt sehr entspannt, das erste freie Fahrzeug mit freundlichem Fahrer wird das unsrige zu einem guten Preis. Leider fährt der gute Mann relativ aggressiv. In Medenine angekommen kämpfen wir uns gegen einen höllischen Wind nach Metameur, unterwegs einige Kleinigkeiten einkaufend und telefonierend. Zudem müssen wir uns wieder einmal gegen Steinewerfer zur Wehr setzen. Hachim ist nicht da, aber der Cousin aus dem Café, zusätzlich auch ein anderer Bekannter, der humpelnd, am Stock gehend uns begrüßt und auch über unsere Ankunft genau informiert ist.

Nach einigen Pflegearbeiten am Rad kaufen wir im Ort für unsere letzte selbstgemachte Mahlzeit ein. Hachim ist derweil gekommen, wir haben geklärt, daß es zum Abendbrot kein Couscous geben wird, also wollen wir selbst tätig werden. Nach einer kalten Dusche, zahlreichen Gesprächen mit Hachim und Verkaufsgesprächen (es geht um gehäkelte Decken einer alten Frau) sitzen wir nach dem reichlichen Essen im Hof und unterhalten uns noch lange mit den beiden (wie sich herausstellt) Brüdern über Gott und die Welt. Unfaßbar, daß die beiden 26 und 28 Jahre alt und damit doch deutlich jünger, als wir sind. Dennoch, das Rätsel über das Ramadanende können wir auch heute nicht lösen.     

12 km ,14  - 23° C                                                                                                  

06.02.1998

Die Nacht im Salon war von regelmäßigem Hahnengeschrei und Hundegebell geprägt. Das Frühstück hatten wir für 7.30 Uhr geplant, es ist lecker, wie immer. Der Abschied fällt schwer, Hachim schenkt mir eine Münze, einen weiteren Ghorfa-Fund und eine Visitenkarte „Für immer Freunde...“! Nett.

Das Hotel soll noch bis zum März wegen Reparaturen geschlossen sein. Gesehen haben wir in den vier dort verbrachten Tagen niemanden, der auch nur annähernd nach Arbeit aussah. Inch Allah!

Der Abgang im Medenine ist leicht verzögert, das erste Taxi hat keinen Dachgepäckträger, das nächste füllt sich rasch. Einer unserer Mitfahrer muß kurz vorm Ziel kotzen, trifft nur knapp an Heinzi vorbei, aber das ganze Auto ist voll, er muß erst einmal saubermachen.

Im Houmt Souk kennen wir uns ja recht gut aus, gehen in die Souks, kaufen den von Meike und Maren erwünschten Lippenstift, außerdem finde ich zwei nette Ringe für Meike, die ich nach zähem Feilschen erstehe, nicht ohne mich vorher mit dem Besitzer des Nachbarladens heftig erzürnt zu haben (Ein Mann, ein Wort). Blah, blah. Abschluß findet der Urlaub im Restaurant du Sud beim Couscous tunisienne.

Im Ghorfahotel in Metameur Später fahren wir hinaus zum Flughafen Melilla, packen um, checken ein und beobachten, wie unmotiviert Luft aus einem Reifen gelassen wird. Sehen mit Schrecken, wie die Räder auf dem Laufband um die Ecke verschwinden. Mit Mühe war es uns gelungen einen Label für die Räder zu ergattern. Der gesamte Rückflug wir mit Lesen verbracht, ein Seilbahnunglück, wie ist die Lage im Irak, was wird aus der Jordanienreise? In München zwei zähe Stunden Aufenthalt, kaufen Bonbons, trinken Bier und essen zwei Wiener.

Im Anflug auf Hamburg schließt sich der Kreis - die Chottumrundung 1999? Inch Allah!

25 km, 14  - 21° C

"Der Weg zur Macht führt durch die Paläste. Der Weg zum Reichtum führt durch die Basare. Der Weg zur Weisheit aber führt durch die Wüste."                         

arabisches Sprichwort

 

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